Sonntagsgedanken: Meine Alltagswunder

Noch ein Beitrag aus der Schreibwerkstatt „Die kleine Auszeit am WE“ von Freitagabend. Ich finde, dieser Text passt ganz wunderbar auch zum 1. Adventssonntag. Für mich war die Advents- und Weihnachtszeit schon immer eine Zeit, in der so Vieles möglich ist – auch Dinge, die ich mir sonst nur schwer vorstellen kann. Und ob das realistisch ist oder nicht, spielt keine Rolle – der Mensch an sich braucht auch das Sehnen. Leider gibt es im Alltag dafür oft nicht so viel Raum – mit den Alltagswundern können wir aber eine Tür zu etwas anderem als dem Gewohnten aufmachen. Es kommt also auf meine Haltung und meine Einstellung an – und darauf, dass ich mir bewusst mache, welchen Schatz ich damit in der Hand halte.

 

Meine Alltagswunder

„Du immer mit deinen Alltagswundern“, sagt Sina zu Josi. „Alltagswunder sind etwas für Menschen, die sich aus der Realität nicht sehen wollen“.
Sina sieht Josi an – eine Augenbraue hochgezogen, die Arme vor der Brust verschränkt.

„Das darfst du gern so sehen“, antwortet Josi ruhig, „für mich allerdings ist es anders. Glockenblumen, die im Winter blühen. Ein Gänseblümchen, das, kaum abgemäht, schon wieder blüht. Das Lachen eines Kindes, das mir eine Kindheitserinnerung schenkt. Ein Lächeln, das mir zeigt <ich habe dich gesehen>. Ein Sonnenstrahl im Nebel. Ein Herbstblatt, braun und gelb, dass still auf einer Bank ruht. Und eine Umarmung, die mich wärmt und stärkt – das alles kennst du doch auch, oder?“
Sina sagt nichts.

„Weißt du“, sagt Josi, „früher habe ich das alles als selbstverständlich betrachtet. Manchmal habe ich es überhaupt nicht mehr bemerkt. Aber seit es mir auffällt und ich mein Augenmerk darauf richte, fühlt sich mein Leben anders an. Reicher. Bunter. Erfüllter.

Ich nenne es Alltagswunder. Nicht im Sinn von etwas Unerklärlichem, das einer höheren Macht zugeschrieben wird. Nein, mit Alltagswunder meine ich Dinge, die da sind. Klein. Unauffällig. Dezent. Sie lassen mich einen Glücksmoment fühlen – einfach, weil ich sie wahrnehme. Das ist für mich das Wunder – achtsam Dinge zu entdecken und sie nicht als normal zu betrachten“.
Sina sagt nichts.

Josi nickt Sina zu. Sie umarmt sie zum Abschied und geht.
Ein Lächeln lässt sie bei Sina zurück.

 

 

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Einen gesegneten Adventsonntag wünsche ich Dir – einen, der die Hoffnung wachhält und nährt!

Foto: © Judith Manok-Grundler, Überlingen

 

Fotografiert habe ich diese Blüten am 23.11.21 – nicht gerade die klassische Blütezeit für die Blümchen. Sie haben im eisigen Wind gezittert, aber ihre Farbe hat das dicke Nebelgrau durchbrochen.

 

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