Winter ade…

Gestern war „Schreiben im Café“ mit dem Thema <Winter ade>, übrigens bei einer wunderbaren Bergsicht und herrlichem Sonnenschein. Unter anderem haben wir einen ABGESANG auf den Winter geschrieben. Hier kommt er:

Lieber Winter,

heute verabschiede ich Dich und – wie ich bei der Vorbereitung dieses Abgesanges überrascht festgestellt habe – mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Du, Winter, hast mir mit Schnee, Eis und Matsch auf den Straßen und Wegen keineswegs Freude bereitet. Das alles werde ich ganz sicher nicht vermissen. Auch nicht die Kälte, die Du uns in den letzten Wochen noch einmal gezeigt hast. Auf die verzichte ich herzlich gern. Auch dem Schneeschnippen oder Scheiben kratzen trauere ich nicht hinterher.

Worauf ich aber nicht verzichten will, sind die Brache, die Ruhe und die Stille, die ich auch erlebt habe während Deiner Herrschaft. Das <kahl und tot sein>, habe ich in diesem Jahr genossen. Zum einen war mir bewusst, dass es – sozusagen – unter der Oberfläche weiter arbeitet und sich alles auf das Kommende vorbereitet. Zum anderen hast Du mir tolle Bilder geschenkt: Schwarz, weiß und Blau, das waren – neben dem grau trüb – Deine Farben. Es gab klare Farben, klare Formen, scharfe Umrisse, Bäume wie Scherenschnitte. Das beflügelte meine Klarheit und auch das Wissen, dass Weniger manchmal mehr sein kann.

Daneben schenktest Du uns bizarre Eisgebilde zum Staunen. Immer wieder hast Du die Welt für Momente <weich- gezeichnet>. Jedes Mal, wenn das der Fall war, hatte ich den Gedanken, dass unserer Welt heute beides Not tut: Klarheit und weichzeichnen – beides zur rechten Zeit. 

Die Bilder bleiben. Deshalb vermisse ich Dich nicht. Und ich weiß, Du kommst wieder. Zuverlässig. Ganz sicher. Ob gewünscht oder nicht. Bis dahin kann ich warten. Du darfst Dir ruhig Zeit lassen. Auf Wiedersehn.

Wie lautet Dein Abgesang auf den Winter?

Foto: Erwin Grundler, Überlingen-Aufkirch