abc.Etüden 10 und 11/2020: Der Schattenmann
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Max. 300 Wörter, die die drei Begriffe Sonnenuntergang, warm, fliegen enthalten müssen. Die Idee stammt von Christiane und die Begriffe für die Schreibwochen 10 und 11/2020 stammen von „Corlys Lesewelt“. Danke euch beiden.
Und hier ist meine neunte Etüde.
„Wir treffen und kurz vor dem Sonnenuntergang am Eingang zum Familienstrand. Lass mich nicht im Stich, ich brauche dich“, sagt er. Ohne eine Erwiderung abzuwarten, legt er auf und steckt das Handy in die Tasche. Er fährt sich über die Stirn. Ihm ist warm in der schwarzen, langen Kleidung, die sogar nicht zu dem warmen Frühsommertag passt.
Von seinem Versteck am alten Badehaus aus, nimmt er das Treiben am Strand wahr. Er lehnt sich zurück. „Ob sie wohl kommt?“ Gedanken an ihre gemeinsame Zeit fliegen durch seinen Kopf wie Möwen frühmorgens um Fischerboote, wenn der Fang ausgeladen wird. Er lässt sie fliegen. Hält nichts fest. Er weiß, es ist vorbei. Endgültig. Und trotzdem …
Langsam leert sich der Strand. Es wird ruhig. Er lauscht. Gleich müsste sie kommen. Er steht ganz still. Da. Schritte nähern sich. Gleich darauf kann er sie riechen. Jasmin und Vanille – da war immer schon ihr Duft. Die Schritte verklingen. Er kann hören, wie sie sich umdreht. Sie sucht ihn. Entdeckt ihn nicht. Er ist gut darin, mit dem Hintergrund zu verschmelzen. Sie läuft ein paar Schritte.
Die Sonne ist untergegangen. Er kann es spüren. Da hört er Schritte. Sie nähern sich schnell. Er hebt den Kopf. Hört ein leises „Hallo“. Er nimmt wahr, wie sie die Luft einzieht. „Du? Was machst du hier?“, fragt sie. „Er hat mich hierher bestellt. Dich auch?“
Jetzt ist es still. „Mach schon, du Idiot, nimm sie in den Arm und sage ihr, wie lange du sie schon liebst!“, flüstert er vor sich hin. Dann greift er zu seinem Stock, und dreht sich um. „Es ist besser so – für sie auf jeden Fall und für mich wahrscheinlich auch“, denkt er und verschwindet lautlos.
Was fällt Dir zu den Worten ein?
Foto: © Erwin Grundler, Überlingen
Schnelle Schritte, bei ihm dagegen ein Stock: hat sich da ein älterer Herr in eine jüngere Dame verguckt? Und die späte Einsicht, es passt doch nicht?
Danke dir, Werner. Deine Idee könnte theoretisch auch stimmen – das war aber nicht meine Intention. Allerdings ist der Stock schon als ein Hinweis gedacht gewesen.
Liebe Grße
Judith
Eine alte Liebe? Ich frage mich, ob da einer im letzten Moment kalte Füße bekommt. Aber sie hätte doch gar nicht kommen müssen, wenn „er“ ihr nichts mehr bedeutet.
Mir ist nicht klar, wie viele Personen deine Geschichte enthält, sind es zwei Ers oder doch nur einer, und falls es zwei sind, in welcher Beziehung stehen sie zueinander?
Liebe Grüße
Christiane, etwas fragend 😁☕🥐👍🌞
Liebe Christiane,
ja, es sind zwei Ers und eine Sie.
Auf jeden Fall haben sie alle drei eine Beziehung zueinander – das ist auf jeden Fall richtig.
Mal sehen, welche Ideen hier noch kommen.
Liebe Grüße
Judith
Sehr mysteriös und tragisch. Das Warten hast du sehr spannend beschrieben, nur schade dass man nicht erfährt, warum er kalte Füße bekommt. 😅
Liebe Katharina,
danke dir für deine Rückmeldung.
Ich dachte, ich hätte genügend Hinweise gestreut, was mit dem Mann im Schatten los ist. Aber vielleicht ist es nur für mcih schlüssig, ich weiß es nicht.
Der Tipp mit dem Stock von Werner war auf jeden Fall schon mal einer meiner Hinweise.
Liebe Grüße
Judith
Hab es nochmal gelesen, allerdings komme ich nicht ganz dahinter. Ich finde aber, dass ich es nicht verstehe, schadet der Geschichte nicht. Ich finde den Moment des Wartens sehr interessant und toll beschrieben.
Vielen Dank, Katharina – freut mich, dass dir die Beschreibung gefällt.
Ich finde selbst auch das geheimnisvolle toll; habe es zunächst einfach in einem Rutsch „runtergeschrieben“ und zur Seite gelegt. Wie immer, habe ich später danach gegriffen und mir dann überlegt, was stelle ich mir selbst zur Geschichte vor. Dementsprechend hab e ich die Geschichte angepasst.
Ich gebe dir mal einen Tipp: Ich schreibe manchmal sogenannte „Sinnengedichte“, in denen ich etwas mit allen Sinnen beschreibe. In der Geschichte habe ich auch verschiedene Sinne zur Beschreibung verwendet. Allerdings nicht alle – ein ganz wichtiger Sinn fehlt nämlich.
Viel Spaß und schönen Nachmittag,
Judith
Eine Liebesgeschichte scheint durch den Mann im Schatten blockiert worden zu sein und als eine seiner letzten Taten vor dem endgültigen Loslassen werden die beiden doch noch von ihm zusammengeführt …
So lese ich es und stelle mir eine Irrtums- und Erlösungs-Geschichte vor, wie sie z.B. in der TV-Serie Ghost Whisperer gern beschrieben wird.
Danke dir.
Die TV-Serie kenne ich nicht, habe also keinen Bezug dazu.
Und ja, beide Männer lieben die Frau.
Der „Schattenmann“ lässt sie ziehen oder los, wie du schreibst.
Warum? Das hat etwas mit ihm zu tun. Und wie ich oben schon schrieb, habe ich – für mich deutlich – aber offensichtlich nicht deutlich genug, Hinweise eingestreut.
Liebe Grüße
Judith
Liebe Judith,
so, jetzt habe ich Deine Geschichte wiedergefunden. Ich hatte sie gelesen und geliked, aber dann vergessen, von wem sie war. Darüber bin ich fast kirre geworden, weil ich sie unbedingt nochmal lesen wollte, um hinter das Geheimnis zu kommen. Ich war mir fast sicher, jetzt bin ich es definitiv. Allerdings erschließen sich mir auch die Personen nicht. Welche Beschreibungen gehören zu welchem Mann? Dass da zwei sind, hatte ich schon geahnt, aber wo wechselt es? Der mit dem Stock ist auf jeden Fall blind – aber Du beschreibst die ganze Zeit nur akustische und geruchliche Eindrücke, egal, welche Person agiert. Irgendwie kommt es mir daher so vor, als wären in der Story alle blind, oder zumindest beide Männer. Und warum der unbekannte Dritte am Anfang sowohl die Frau als auch den blinden Mann dorthin bestellt und der blinde Mann dann der Meinung ist, dort fehl am Platz zu sein, kapiere ich auch nicht.
Aber habe ich es soweit zumindest schonmal richtig aufgedröselt?
Danke und lieben Gruß
Lea
Liebe Lea,
Ich danke dir für dein Rückmeldung. Das ist blöd, wenn die Geschichte nicht mehr aufzufinden ist, weil es unklar ist, wo gesucht werden soll. ABER: Du hast sie gefunden.
Wunderbar – blind ist schon mal super. Und wir wissen, wenn der Sehsinn ausfällt, funktionieren die anderen Sinne besser.
Nur der Schattenmann ist blind. Die Frau und der andere Mann sind es nicht.
Fast die ganze Geschichte hindurch agiert nur einer – der Schattenmann.
Nur im zweitletzten Absatz agieren, außer ihm, die beiden, die er hierher bestellt hat.
Wenn Du die Geschichte jetzt, mit diesem Hintergrund, liest – klären sich dann deine Fragen? Ich wünsche es dir.
Bin sehr gespannt.
Herzliche Grüße
Judith
Danke, Judith, jetzt habe ich es kapiert. Ich hatte die wörtliche Rede für ein Selbstgespräch gehalten, aber mit drei Personen und dem Umstand, dass das so kommentierte Gespräch zwischen den beiden Anderen offenbar in einer gewissen Entfernung stattfindet, weil der Schattenmann es ja nur leise hört, ergibt es jetzt Sinn. Diese Hinweise waren mir vor Deiner Erklärung nicht deutlich genug aufgefallen, nur als Dissonanzen, nicht als sinnvolle Kontextelemente.
Die übrigen Sinne sind geschulter und mensch konzentriert sich mehr darauf, wenn ein Sinn wegfällt. Wirklich besser werden sie dadurch allerdings nicht, mensch achtet einfach nur mehr auf sie.
liebe Grüße
Lea, aus Erfahrung sprechend :)