#abcEtüde 42.43.21: Komödienstadel
Richter: „Angeklagter, Ihnen wird vorgeworfen, bei Ihrer Nachbarin eingebrochen zu haben und Ihrer Zerstörungswut besonders niederträchtig freien Lauf gelassen zu haben. Was sagen Sie dazu?“
Angeklagter: „Die hat das verdient“.
Richter: „Sie geben den Tatbestand also zu?“
Angeklagter: „Ich geb gar nichts zu. Aber verdient hat die es sowieso. Vorne rum höre ich sie flöten, aber hintenrum ist sie eine üble Tratschtante“.
Richter: „Das tut nichts zur Sache. Geben Sie den Vorwurf zu?
Angeklagter: „Ich geb gar nichts zu. Aber um den alten Krempel ist es nicht schad!“
Richter: „Also geben Sie zu, dass Sie in der Wohnung Ihrer Nachbarin waren?“
Angeklagter: „Sind Sie taub? Ich geb nichts zu!“
Richter: „Werden Sie nicht frech, Angeklagter. Kennen Sie die Wohnung Ihrer Nachbarin?“
Angeklagter: „Klar. Ich musste da oft hin“.
Richter: „Sie mussten dahin?“
Angeklagter: „Natürlich. Die Alte hat mich immer zu Kaffee und Kuchen eingeladen, da blieb mir nichts anderes übrig“.
Richter: „Das heißt, Sie kannten die Wohnung Ihrer Nachbarin gut. Ist Ihnen eigentlich klar, dass die Möbel, die Sie zerstört haben, lauter Antiquitäten aus dem Biedermeier waren?
Angeklagter: „Antiquitäten? Dass ich nicht lache. Alter Ramsch war das. Die soll froh sein, dass sie jetzt ordentliche Möbel kriegt. Solche, auf denen man ohne Angst sitzen kann!“
Richter: „Wollen Sie mir sagen, Sie hätten Ihrer Nachbarin einen Gefallen getan?“
Angeklagter: „Na klar“.
Richter: „Sie geben also zu, dass Sie die Möbel zerstört haben? Warum haben Sie das getan?“
Angeklagter: „Die hat mir beim letzten Mal keinen Kaffee gegeben, sondern nur Wasser, weil ich angeblich Kaffeeflecken auf ihr geliebtes Sofa gemacht hätte“.
Richter: „Und deswegen haben Sie alles zerstört?“
Angeklagter: „Jetzt haben Sie sich mal nicht so wegen der paar Möbel. Ich will nicht wissen, was Sie sagen würden, wenn ich die Alte angegriffen hätte!“
Richter: (sprachlos)
|WERBUNG WEGEN NAMENSNENNUNG UND VERLINKUNG, UNBEZAHLT|
Wie hättest Du die Wörter untergebracht?
Foto: © Judith Manok-Grundler, Überlingen
Maximal 300 Wörter, die die Begriffe „Biedermeier, niederträchtig, flöten“ enthalten müssen. Die Idee stammt von hier: https://365tageasatzaday.wordpress.com/2021/10/17/schreibeinladung-fuer-die-textwochen-42-43-21-wortspende-von-puzzleblume/
Ich habe sinnlose Zerstörung noch nie wirklich verstanden. Vieles andere auch nicht. Speziell nicht bei Menschen wie deinem Angeklagten.
Ich schließe mich also dem Richter an und bin sprachlos (und erschüttert). 😩
Dir danke ich fürs Mitschreiben! 😁🧡👍
Regnerische Nachmittagskaffeegrüße 😁🌬️🌧️☕🍪👍
Liebe Christiane,
ich schick dir Grüße aus dem Nebel. Noch ist vom versprochenen „goldenen Oktobertag“ nichts zu sehen.
Und ja, da geht es mir wie dir: ich verstehe das auch nicht. Vor allem die „Dreistigkeit“ des Auftretens entzieht sich meinem Verständnis völlig.
Herzliche Sonntagsgrüße
Judith
Diese sehr individuelle Logik hast du vom Angeklagten so einleuchtend erklären lassen, dass der sprachlose Richter wohl auch erstmal darüber nachdenken muss, ob es sich um blosse Dreistigkeit und Ignoranz oder um Verzweiflung und Enttäuschung einer kompliziert toxischen zwischenmenschlichen Geschichte von zwei Menschen handelt, die einander besser nicht begegnet wären.
Liebe Puzzleblume,
danke dir für deine Rückmeldung. Das hast du wunderbar auf den Punkt gebracht.
Das wirklich schlimme ist ja, dass es so was auch im echten Leben gibt.
Hier im Text ist es vermutlich eine Mischung aus allem.
Liebe Grüße
Judith
Nachbarschaftliches Miteinander sieht anders aus. Das kann er ja nun wohl mal auf einer Holzpritsche in der Zelle nachempfinden.
Da hast du recht.
Ich habe mir beim Schreiben die Personen vorgestellt – und hatte plötzlich ein Bild von früheren Komödienstadel-Aufführungen vor meinem inneren Auge.
Deshalb habe ich beim Schreiben vor mich hin gegrinst – aber natürlich ist das Ganze eine Tragik.
Liebe Grüße
Judith