#abcEtüden 10.11.22: Lebenserinnerungen (3)
Hier https://mutigerleben.wordpress.com/2022/03/12/abc-etuden-10-11-22-lebenserinnerungen/ findest Du den 1. Teil der Geschichte – den 2. Teil gab es gestern. Zum besseren Verständnis ist es sinnvoll, die vorherigen Teile zu lesen.
Vor der Dachluke fliegt eine Taube vorbei. Sie holt Elsa zurück. Elsa schaut auf den Zylinder. Sie wischt sich eine Träne ab. Ihre Beine zittern. Sie hockt sich auf eine Kiste. Lässt alte Bilder an sich vorbeiziehen. Erinnerungen überschwemmen sie.
Sie sieht sich an ihrem ersten Nachmittag. Kann sich an jedes Wort erinnern, das sie gesprochen haben. Weiß noch, wie sie sich abends verabschiedeten. Sie spürt noch immer seine Hand, die rau und doch so zärtlich ihr Gesicht streichelte.
Elsa erinnert sich an ihr Kennenlernen, ihre Verlobungszeit und an die Hochzeit. An die Geburt der Kinder. An ihren Zusammenhalt. An ihr ganzes Glück. Sicher, es gab auch Streitigkeiten und Unverständnis auf beiden Seiten. Und dennoch: Sie waren einander fest verbunden. Die Liebe wandelte sich. Sie blieb ihnen treu. Bruno war für sie und die Kinder da. Seine Zärtlichkeit, seine Ruhe und seine Beständigkeit ließ sie alle wachsen.
Und dann, dann kam der Tag, an den Elsa lange nur mit Grauen zurückdenken konnte. Abends kam Bruno nicht nach Hause. Auch anderntags war er nicht da. Kein Mensch hatte ihn gesehen, niemand etwas von ihm gehört. Jede Suchaktion verlief erfolglos. Bruno blieb verschwunden. Bis heute. Das war jetzt 30 Jahre her.
Elsa blieb zurück mit den drei halbwüchsigen Kindern. Verloren. So verloren. Ja, sie hatte weitergemacht, was blieb ihr auch anderes übrig. Die Zeit mit Bruno gab ihr die Kraft dazu. Aus den Kindern war etwas „geworden“, wie ihr Vater gesagt hätte. Sie gönnte ihnen ihr Leben von Herzen.
Sie aber blieb allein. Verbunden mit Bruno – noch immer.
Elsa streichelt über den Zylinder. Spürt, wie sich die scharfen Kanten des Verlusts mit der Zeit geglättet haben. Sie steht auf. Schaut in den Himmel.
Und die Rosen blühen.
|WERBUNG WEGEN NAMENSNENNUNG UND VERLINKUNG, UNBEZAHLT|
Wie bringst Du die drei Wörter unter? Und wie sieht Dein Schluss aus?
Foto: © Grundler, Überlingen
Maximal 300 Wörter, die die Begriffe „Zylinder, rau, blühen“ enthalten müssen. Die Idee stammt von hier: http://www.365tageasatzaday.wordpress.com/2022/03/06/schreibeinladung-fuer-die-textwochen-10-11-22-wortspende-von-makeachoicealice/
Ich sitze hier und bin ratlos: Was mag mit ihm passiert sein? Tot durch …? Weitergewandert und untergetaucht? Warum? Elsa wird es vermutlich nie erfahren.
Ja, das gibt es, dass sich der Platz eines Menschen nie mehr ausfüllen lässt. 🤔
Danke dir, ich habe deine Etüden sehr gerne gelesen. 🧡
Trübe Morgenkaffeegrüße 😏☁️☕🍪👍
Danke dir, liebe Christiane.
Ich gestehe, ich bin genauso ratlos.
Habe gerade schon Werner geschrieben, dass ich keine Ahnung habe, woher diese Geschichte kam und wieso sie sich so entwickelt hat – aber sie lässt mich auch nicht los. Deshalb ist sie wahrscheinlich der Ausgangspunkt für ein nächstes großes Schreibprojekt.
Mal schauen, wie das wird.
Liebe Grüße
Judith
Hat sie denn nicht irgend etwas in den 30 Jahren unternommen, um ihn zu finden?
Hat die Trauer sie so gelähmt?
Lieber Werner,
ich danke dir für deine Gedanken und deine Nachfragen.
Erst einmal: Ich habe keine Ahnung, wo der Text herkam.
Irgendwann dachte ich auch noch, das endet jetzt als Liebesgeschichte – positives und ein wenig Glück, das ist ja nicht schlecht in dieser Zeit.
Aber dann stand da auf einmal dieses Ende.
Und ich stehe da und spüre, ich will das ergründen. Will wissen, was ist da passiert? Wie ging sie damit um? Wie gingen die Kinder damit um? Was half weiterzuleben? Weshalb verschwinden Menschen? usw.
Ich nehme mir die Geschichte – wahrscheinlich jedenfalls – als nächstes großes Schreibprojekt vor. Was dann dabei herauskommt, steht in den Sternen, aber angehen will ich es. Irgendwie.
Liebe Grüße
Judith
Oh, ich muss das gleich nochmal lesen, hab die Reihenfolge irgendwie vertauscht. Eine schöne Geschichte, geht ans Herz. Danke dir