AM SEE

Heute war „Schreiben im Café“. Das Thema lautete „Am See“. Wir haben mit verschiedenen Methoden zum Thema geschrieben. Die Zeit verflog. Texte sind entstanden, die wir alle nachvollziehen konnten. Und ich habe, im Hinblick auf die lange Sommerpause, Schreibanregungen gegeben, um das eigene Schreiben nicht ganz zu vernachlässigen. Hier kommt ein Text – der zweite Teil einer Schreibübung (der erste Teil ist für das Verständnis des Textes unerheblich).

 

Wenn ich den See seh‘, erinnere ich mich an Sommertage, an denen sich mir beim Schwimmen Algen um die Beine gewickelt haben.

Ich kann das spüren. Jetzt. Gerade in diesem Moment. Das Kalte. Das Undefinierbare. Das Weichmatschig-klitschige. Und ich spüre, als wäre es gestern gewesen, dass ich mich gefangen fühle. Festgehalten. Gegen meinen Willen komme ich nicht vom Fleck. Das macht mir Angst. Auf der Stelle treten. An einem Platz bleiben müssen. Ungefragt hier verortet.

Ich spüre das Erstarren. Das Gefangen bleiben. Und ich kann spüren, wie sich der Trotz regt. Das „jetzt-erst-recht.“ Es züngelt wie ein kleines Feuer von trockenem Halm zu trockenem Halm.

Der Trotz verleiht mir Kraft. Er nährt mich. Ich beginne zu kämpfen. Löse mich los. Stück für Stück. Algenzweig um Algenzweig reiße ich von mir weg. Ich stampfe. Ich trete. Ich zerre. Ich ziehe. Mit aller Kraft. Dann ist die letzte Alge fort.

Die Beine schmerzen mehr als die Arme. Der Kopf wird schwer. Der Atem wird Zug um Zug langsamer. Der Brustkorb weitet sich. Ich kann mich bewegen. Kann wählen, wohin ich will. Komme vom Fleck.

Wenn ich den See seh‘, erinnere ich mich an Sommertage, an denen sich mir beim Schwimmen Algen um die Beine gewickelt haben.

Und ich weiß, ich bin mit dieser Erinnerung nicht allein – auch wenn ich sie aufs Leben übertrage.

 

 

 

Kennst Du das auch?

Wenn Du magst, setze den Satzanfang „Wenn ich den See seh“ fort und erzähle Dir von dem, was Dir einfällt. Oder erzähle uns davon.

Foto: © Erwin Grundler

 

 

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