Aus der Praxis: Ermutigung und Lob

Immer wieder wird in meiner Arbeit der Unterschied zwischen <Lob und Ermutigung> zum Thema. Häufig meinen die Menschen, dass Lob absolut unverzichtbar ist und auf jeden Fall ermutigt. Viele fallen aus allen Wolken, wenn ich sage „das sehe ich anders“. Und ja, es gibt Menschen, die dann mit mir zu streiten beginnen und sagen „ich wäre ohne Lob aber nicht an dem Punkt angekommen, an dem ich jetzt bin“. Oft habe ich schon erlebt, dass ein Gespräch darüber dann nicht möglich war – sie wollten sich das Lob nicht nehmen lassen und nicht die Möglichkeit, andere zu loben.

Nein, Lob und Ermutigung sind nicht dasselbe und auch nicht das Gleiche. Mit einem Lob bewerte ich IMMER eine Leistung – und der Bewertungsmaßstab dafür liegt bei mir. Nebenfrage: Wer gibt mir das Recht, andere Menschen zu bewerten?

Eine Ermutigung hingegen wertet nicht, eine Ermutigung sieht die/den anderen, nimmt wahr: Die Talente, die Gaben, die Fähigkeiten, das Sein etc. Es ist ein Unterschied, ob ich sage:

„Endlich kannst du das Lied richtig spielen, toll!“ oder ob ich sage: „Ich habe gehört, wie du das Lied immer wieder geübt hast und jetzt hast du es am Stück gespielt ohne hängenzubleiben.“

Ermutigung stärkt. Sie ist positiv und zeigt der/dem anderen „ich habe dich bemerkt, gesehen, beachtet, wahrgenommen“. Vor allem aber zeigt sie dem Kind/dem Gegenüber auf, dass seine Handlung – „das immer wieder üben“ – zu einem bestimmten Ergebnis geführt hat. Das Kind/das Gegenüber kann daraus eigene Schlüsse ziehen, Schlüsse, die ihm weiter helfen, als ein Lob es je vermag.

Beim Lob oben erfährt das Kind, dass Mutter oder Vater jetzt (endlich) zufrieden sind. Und es spürt, dass es – wenn es ein Lob will – immer eine Leistung erbringen muss, die der/dem anderen gefällt. Und was, wenn das Kind das Lied nie zur Zufriedenheit der Eltern spielen kann? Oder die Schulnoten nie genügen? Oder es nie so sportlich ist, wie die anderen es gern hätten? Dann kann nicht gelobt werden, dann wird kritisiert. Auf Dauer ist das fatal.

Ermutigung ist das, was Menschen weiterbringt. Sie festigt den Glauben und das Vertrauen an und in sich selbst. Sie lässt Menschen wachsen und blühen. Das brauchen Menschen – Kleine wie Große.

 

 

 

 

 

Ist Dir der Unterschied bewusst?

Foto: © Erwin Grundler

 

 

0 Kommentare
  1. TIna
    TIna sagte:

    Das ist ein sehr interessantes Thema, liebe Judith
    Ich stimme dir voll zu und kenne es aus der gewaltfreien Kommunikation, der bedürfnisorientierten und bewertungsfreien Sprache. Gerade beim Loben ist es nicht einfach Bewertung zu vermeiden, die/den Andere/n oder mich selbst abhängig vom Lob zu machen. Wenn ich nicht gelobt werde oder mich nicht selbst loben kann, bin ich nicht gut (genug) oder ich werte etwas/jemanden ab weil mein Anspruch nicht erfüllt ist. Das geht in Richtung perfekt sein müssen, Erwartungen erfüllen etc. Es kreiert Verbissenheit, Unzufriedenheit, Anspannung etc. deshalb finde ich es wichtig, dass wir auf unsere Sprache schauen und welchen Unterschied Worte und Ausdrucksweisen machen. Danke für den Impuls ;-))

    Antworten
    • mutigerleben
      mutigerleben sagte:

      Danke dir, liebe Tina.
      Deine Ergänzungen sprechen mir aus der Seele – ja, so ist es, denn das Gegenteil von Lob ist Kritik. DAs ist das problematische daran – und mir fällt immer wieder auf, dass manche Menschen das nicht verstehen – schwierig, wenn diese aus dem pädagogischen Arbeitsbereich kommen. Klar, die Meisten von uns sind es ja anders gewohnt…
      Ich schick dir Abendgrüße
      Judith

      Antworten

Hinterlasse einen Kommentar

An der Diskussion beteiligen?
Hinterlasse uns deinen Kommentar!

Schreibe einen Kommentar zu TIna Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert