„Die Alten“

Ich erinnere mich: Als ich ein Kind war, kannte ich meine Oma nur in Schwarz, Dunkelblau und Dunkelgrau. Im Höchstfall kam eine weiße Bluse dazu – oder eine schwarz-weiß gemusterte. Auch die Omas meiner Freundinnen, die wenigen, die ich traf, waren so angezogen.
Das hat sich – zum Glück – verändert. Frauen über 50 sehe ich heutzutage oft in bunten Farben (oder in beige – das ist bei manchen das neue schwarz). Was die Kleiderfarbe betrifft, sind Frauen heute nicht mehr so unsichtbar wie damals.

Dennoch hatte ich in den letzten Jahren den Eindruck, dass auch heute Frauen – jedenfalls die in einem bestimmten Alter – oft von der Gesellschaft nicht wahrgenommen werden. Was das nicht „altersgemäße“ Angezogen sein angeht – das wird durchaus wahrgenommen und kommentiert. Oft negativ. Über ältere Frauen gibt es, viel zu oft, Witze und abfällige Reden (über Männer manchmal auch, aber in meiner Wahrnehmung wesentlich seltener).
Das Reden über die Frauen zeugt oft von wenig Achtung und Respekt. Dabei sind auch Frauen heute oft sehr fit und beweglich – auch geistig – bis ins hohe Alter hinein. Sie leisten etwas. Männer oft auch. Gar manches ehrenamtliche Engagement wäre ohne die Rentnerinnen und Rentner überhaupt nicht möglich.

Nun ist in den letzten Wochen viel von „den Alten“ zu hören – bevorzugt in Verbindung mit dem Zusatz „Risiko-Gruppe“.
Ja, ältere Menschen sind öfters krank oder weniger gesund als junge Menschen – und so ist an der „Risiko-Gruppe“ sicher etwas dran.
Ich glaube aber, dass wir dennoch aufpassen müssen. <Sprache schafft Bewusstsein>, das habe ich hier schon an anderer Stelle besprochen. Das heißt: Wenn wir etwas lange genug sagen, dann es nicht mehr weit, bis wir es auch glauben.
„Die Alten“ gibt es ebenso wenig wie „Die Jungen“ oder „die Mittvierziger“. Sie sind nur ähnlich alt, aber ansonsten sind sie Menschen, die ihr Eigenes leben und eigen sind.

Moment: Ich habe nichts dagegen einzuwenden, dass sie momentan besonders geschützt werden sollen. Ich bin auch gern dabei, die Einschränkungen zu unterstützen und einzuhalten, wenn dafür Familien wieder einen größeren Spielraum bekommen. Wovor ich mich aber fürchte – und zwar nicht in erster Linie für mich – dass das Wort „Risiko-Gruppe“ haften bleibt. Und da sind wir alle aufgerufen, wachsam zu sein. Nicht nur das Alter in den Blick zu nehmen, sondern jeden einzelnen Menschen als Mensch zu sehen – unabhängig von seinem Alter. Und die Lebensleistung darf gesehen werden und das, was sie heute noch leisten, auch. Das gilt für alle Altersgruppen in unserem Land, auf der Erde – denn der Satz „Die Würde des Menschen ist unantastbar, verfügt nicht über einen Alters Zusatz.

 

WERBUNG WEGEN NAMENSNENNUNG, UNBEZAHLT

 

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Foto: © Judith Manok-Grundler, Überlingen

 

12 Kommentare
  1. Monika-Maria Ehliah
    Monika-Maria Ehliah sagte:

    Ich kann und will jedes deiner Worte unterschreiben.
    Sprache verändert (sich) …. leider in letzter Zeit (Jahren) nicht so,
    wie es mir gefallen würde …!
    … von Herz zu Herz … Segen!
    M.M.

    Antworten
    • mutigerleben
      mutigerleben sagte:

      Liebe Monika-Maria
      ich danke Dir.
      Wie schön, wenn Du vieles auch so sehen kannst.
      Und ja, Sprache ist auch immer Wandel unterworfen – das ist auch ok, aber manches treibt seltsame Blüten.
      Liebe Grüße
      Judith

      Antworten
          • mutigerleben
            mutigerleben sagte:

            Liebe Monika-Maria,
            gern.
            Die Umarmung aus Ober-Österreich nehme ich auf diesem Weg gern an.
            Hast Du gelesen, dass ich „eigentlich“ seit gestern in Ober-Österreich wäre? Dort beginnt am17. Juli die Schreibreise, die ich in diesem Jahr abgesagt habe.
            Bleib behütet und hab es fein.
            Herzlich
            Judith

          • mutigerleben
            mutigerleben sagte:

            Für die Schreibreise in Windischgarsten in der „Villa Sonnwend“. Außerdem hängen wir meist noch ca. vier Tage Urlaub an, die hätten wir dort im „Hotel Lavendel“ verbracht. Ich war 2015 zum ersten Mal bei einer Schreibreise in Windischgarsten und habe mich direkt in die Gegend verliebt – und meinen Mann mit der Verliebtheit angesteckt.
            Kennst Du den Ort?
            Liebe Grüße
            Judith

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