Dienstag, 05. Mai 2020

09.15 Uhr – Morgengrau

Ja, Du liest richtig. Ich meine <Morgengrau>, nicht Morgengrauen. Das gab es heute auch, aber früher.
Das Grau hat sich durch den Vorhang-Spalt ins Schlafzimmer geschlichen. Es trampelte über den Boden. Sprang auf meinem Bett herum und warf mit Erwins Kissen um sich. Dann verfolgte es mich ins Bad. Hockte sich neben mich an den Tisch. Schaute begehrlich in die Schüssel mit meinen Reis-Pops und Granatapfelkernen. Es war beleidigt, weil es nichts abbekam, und versprach mir trotzig, dass es den ganzen Tag hierbleiben würde. Ätsch!
„Mir doch egal“, konterte ich. Es trollte sich. Mal sehen, ob es seine Drohung wahrmacht.

13.35 Uhr – Espresso-Bilder

Erwin macht mir nach dem Mittagessen einen Espresso. Ich nehme die Tasse in die Hand. Rieche am Espresso. Schwenke ihn in der Tasse herum. Aus der <Crema> entstehen Bilder. Hell auf dem dunklen Kaffee. Sie bewegen sich. Fließen aufeinander zu und auseinander. Nehmen Form an. Plötzlich habe ich ein fast perfektes „Yin und Yang“ auf meinem Kaffee. Auf die Idee muss man erst einmal kommen.
Ok. Ich denke nach. „Was bedeutet „Yin und Yang“ nochmal?“ Gegensätze? Eher so etwas wie „alles hat einen Gegenpol“. Ja, ich glaube, das passt ziemlich gut.
Ich frage mich: Von was ist Corona der Gegenpol?

19.30 Uhr – Segensgruß

Ein Segensgruß erreicht mich heute Abend per Video. Das freut mich sehr und ich bin entzückt, dass die Absenderin an mich gedacht hat. Es ist ein berührender Text. Umgedichtet auf ein Lied, das ich kenne. Ich komme nur gerade nicht auf den richtigen Titel.
Zu wundervollen Naturbildern wird der Text eingeblendet. So kann ich erst zuhören, später dann auch mitsingen. Es ist eine wunderbare Idee und toll umgesetzt. Gänsehaut läuft mir über den Rücken. Eine wohlige Gänsehaut. Eine Freuden-Gänsehaut.
Jemand wünscht mir Gutes, Segen, schickt ein <bleib behütet>. Das trägt mich. Stärkt meinen Grund. Streichelt mich. Lässt mir Flügelchen wachsen.

21.20 Uhr – „Den Tag rahmen“

Ich halte Rückschau auf meinen Tag. Tue so, als wäre er ein Bild, für das ich einen Rahmen suchte. Wie soll er sein? Wie soll er aussehen?
Es wäre ein schmaler, leichter Rahmen. In Alu-Silber. Das Silber wäre durchzogen von leichten, weißen Wirbeln. Blütenhauchzart, kaum mit dem bloßen Auge zu erkennen. Kleine Punkte, wie Sommersprossen, in Türkis, Flieder und Rose, wären auf ihm verstreut.
Ich beuge mich über ihn. Sehe genauer hin. Entdecke in jeder Ecke einen Schmetterling. Winzig klein. Gelb. Es sieht so aus, als ob sie sich zu einer Rast niedergelassen hätten. Sie laden mich ein – ich folge!

 

|WERBUNG WEGEN NAMENSNENNUNG, UNBEZAHLT|

Die Idee des „Corona-Tagebuchs“ habe ich von B. Pachl-Eberhart.

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