ETÜDEN 40,41,42,43,44.2023: WIE LANGE NOCH?
#StopptGewaltgegen Frauen!
Er packte sie am Arm. Grob zog er sie hinter die Thujahecke am Rand des Schulhofs.
„Sag nichts“, zischte er. Spucketröpfchen trafen ihre Wange.
„Lass mich…“
Er stieß sie rückwärts gegen einen Container. Drückte sie mit seinem Körper dagegen. Ließ ihren Arm los. Grub seine Finger in ihre Schultern und schüttelte sie. Es krachte, als ihr Kopf anschlug.
„Ich habe dir gesagt, dass du schweigen sollst. Doch du hast mich verraten. Du zwingst mich, dich zu bestrafen.“
Er nahm die Hände von ihren Schultern. Legte sie um ihren Hals. Drückte zu. Sie wand sich. Schnappte nach Luft.
„Tamara, wo bist du?“ Ihre Freundin Lina rief nach ihr.
Die Hände ließen sofort los. Sie fiel um. Rang nach Luft.
„Fuck“, murmelte er und verschwand zwischen den Containern.
Tamara hörte Schritte. Lina schaute um die Hecke. „Mensch, Tamara, was ist passiert?“ Lina fiel auf die Knie.
„Nichts ist passiert“, sagte Tamara. „Der Kopf tut weh und mir ist kalt.“ „Komm, ich bring dich ins Lehrerzimmer.“ Lina half Tamara auf die Füße. Mühsam schleppte sie sich über den Hof und die Treppe hinauf.
„Mein Gott, Tamara, was ist passiert?“ Ihr Chef starrte sie an.
„Nichts, ich bin gestolpert und mit dem Kopf auf dem Hof aufgeschlagen.“
Lina runzelte die Stirn. „Du wurdest wieder angegriffen.“ Sie griff nach dem Handy.
„Nein, bitte, keine Polizei.“ Tamara legte Lina die Hand auf den Arm.
„Tamara, es muss endlich Schluss sein. Irgendwann schlägt er dich tot.“
Tamara liefen die Tränen übers Gesicht. „Er ist doch mein Mann. Ich liebe ihn.“ Sie wurde mit jedem Wort leiser.
Lina konnte die gehauchten Worte kaum mehr verstehen. Sie spürte Tamaras Angst. Dennoch konnte sie nicht anders handeln.
Tamara legte den Kopf auf den Tisch. Sie hörte noch „Meine Kollegin wurde angegriffen…“, dann versank sie in Dunkelheit.
Es passiert noch immer viel zu oft…
Foto: © Judith Manok-Grundler
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Maximal 300 Wörter, die die Begriffe „Lehrer, grob, hauchen“ enthalten müssen. Die Idee stammt von hier: https://365tageasatzaday.wordpress.com/2023/10/01/schreibeinladung-fuer-die-textwochen-404142434423-wortspende-von-kopf-und-gestalt/
Oh, lieber Himmel! Liebe Judith, vielen herzlichen Dank für deine erschütternde Etüde nach so langer Zeit. Du hast absolut recht, es passiert immer noch viel zu oft – und oft genug haben die Frauen keine gute Freundin, die für sie handelt. Ich wünsche allen, die in so einem Teufelskreis stecken, den Mut und die Chance, auszusteigen und zu überleben, denn die Gefahr ist nicht vorbei, wenn sie den Täter verlassen haben …
Regengrüße am Abend
Christiane
Liebe Christiane,
ich danke dir sehr.
Ja, du hast recht, für viele Frauen endet das nicht oder sehr, sehr schlecht. Ich habe den Eindruck, dass Femizide in den letzten Jahren sehr zunehmen. Und Gewalt gegen Frauen nicht genug geahndet wird. Außerdem verschärft sich die Haltung, die Frauenrechte vermehrt zurückdrängen will.
Das besorgt mich schon sehr.
Liebe Grüße
Judith
Viel zu oft und in den letzten Jahren immer öfter und mit tödlichem Ausgang. Sehr realistisch und überzeugend geschrieben !
Ich danke dir.
Ja, da hast du recht – die tödlichen Ausgänge nehmen massiv zu.
Zu deiner Bemerkung won realistisch und überzeugend: Ich beschäftige mich seit vielen Jahren mit dem Thema – das bleibt nicht aus, da ich seit 34 Jahren Frauen(Bildungs)Arbeit betreibe.
Immer wieder sind mir da Frauen begegnet, die mit körperlicher und psychischer Gewalt zu kämpfen hatten – mehr noch aber die Frauen, die unter emotionaler und psychischer Gewalt leiden, teilweise über lange, lange Zeit.
Liebe Grüße zu dir
Judith
Sehr gut geschrieben, mit Gänsehauteffekt und leider bittere Realität.
LG Anna-Lena
Liebe Anna-Lena,
danke dir für deinen Kommentar – und herzlich willkommen bei mir.
Ja, es ist bittere Realität – und sie nimmt zu. Und, wenn ich so manche Haltungen und Sprüche höre, dann schwant mir, dass die Gewalt eher zu als abnimmt.
Liebe Grüße
Judith
Liebe Judith,
hart, eindringlich – aber leider zu häufig immer noch Realität. Mich berühren solche Texte auch nach Jahrzehnten immer noch sehr, denn (zum Glück nur) ansatzweise kenne ich solche Situationen. Eine Arbeitskollegin mit sehr viel Courage, mein Bruder und mein jetziger Mann haben mir damals sehr geholfen.
Danke fürs Thematisieren.
Grüße
Anja
Liebe Anja,
ich danke dir sehr für deine Rückmeldung. Und ich habe es zum Thema gemacht, weil es mir wichtig ist – auf Grund meiner Erfahrungen in den Arbeit mit Frauen.
Wie gut, dass du Hilfe gefunden hast – und dass es gut ausging, denn auch das ist heutzutage oft nicht sicher.
Ich hoffe, du kommst damit auch heute noch gut klar und es ist nur eine ferne Erinnerung.
Ich bin davon überzeugt, dass wir es thematisieren müssen, immer und immer wieder. Und, da gibt es noch viel zu tun.
Herzliche Grüße
Judith