#Extraetüde 5.22: So kanns gehen

„Das ist unverzeihlich“, herrscht der Chef Marita, seine rechte Hand, an. „Unverzeihlich! Wie kann man nur so abgrundtief blöd sein! So zurückgeblieben. So doof. Strunzdumm. So…“

Inzwischen spielt seine Kopffarbe schon ins Lila, schießt es Marita durch den Kopf. Und obwohl ihre Knie wie Wackelpudding zittern, bleibt sie äußerlich ruhig. Den vagen Hoffnungsschimmer, dass sich ihr Chef ändern würde, hat sie längst aufgegeben.

Der Chef tobt unverdrossen weiter. Längst haben alle im Großraumbüro die Arbeit eingestellt. Mit einer Mischung aus Abscheu und Faszination sehen sie zu, wie der Chef Marita mit Worten in Stücke reißt. Auf die Idee, es könne ihr jemand helfen, kommt keine und keiner. Im Gegenteil: alle sind froh, dass es dieses Mal nicht sie erwischt hat.

Marita steht vor ihrem Chef. Eine leblose Hülle. Längst hat sie sich in sich zurückgezogen. Dorthin, wo nichts und niemand ihr etwas anhaben kann. Das hat sie im Laufe ihres Lebens perfektioniert.
Plötzlich ist der Chef still. Er zieht ein Taschentuch aus der Tasche und wischt sich über die Stirn. Alle an den Schreibtischen atmen auf.
„Das ging dieses Mal erstaunlich schnell“, flüstert Elisabeth Alice zu. Eine Tastatur klappert. Ein Stift kratzt über Papier. Eine Schublade wird geöffnet. Alle versinken in Geschäftigkeit. Alle, außer Niklas.

Niklas kann seine Augen nicht von der Szene abwenden. Da steht der Chef: groß, massig, schnaufend. Er geht auf Marita zu. Einen, zwei, drei Schritte. Er hebt die Hand.
„Marita, wehr dich endlich!“, schreit Niklas durch den Raum.
Stille. Die Luft knistert.
Niklas springt auf. Er stellt sich hinter Marita. Gibt ihr Rückendeckung. Marita zittert. Sie öffnet die Augen. Jetzt ist sie wieder da.
„Wehr dich“, flüstert Niklas ihr ins Ohr.

„Sie sind ein Unmensch. Ein Depp. Ein A… Viel zu lang habe ich mich von ihnen schlecht behandeln lassen. Damit ist jetzt Schluss. Ein für alle Mal. Ich kündige!“
Der Chef reißt die Augen auf. Das Marita so mit ihm spricht, ist er nicht gewohnt. „Aber, was…, aber wer…“! Weiter kommt er nicht. Marita geht zu ihrem Schreibtisch, packt ihre persönlichen Dinge zusammen und verlässt das Haus. Niklas folgt ihr. Zwei andere Kolleginnen ebenfalls.

Plötzlich sackt der Chef zusammen. Der eilends gekommene Notarzt kann nur noch seinen Tod feststellen.

 

 

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Wie bringst Du die Wörter unter?

Foto: Grundler, Überlingen

 

 

Extraetücen bedeutet: Nimm die Begriffe des abgelaufenen Monats, das sind sechs, such davon fünf aus und verpack diese in einen Text von maximal 500 Wörtern.
Die Wörter im Monat Januar spendeten Ludwig Zeidler und Tanja mit ihrem Blog Stachelbeermond. Sie lauteten: Hoffnungsschimmer, unverzeihlich, nähen,
Wackelpudding, unverdrossen, knistern.
https://365tageasatzaday.wordpress.com/2022/01/30/schreibeinladung-fuer-die-textwoche-05-22-extraetueden/  

 

 

5 Kommentare
    • mutigerleben
      mutigerleben sagte:

      Lieber Werner,
      danke dir.
      Das gibt es ganz bestimmt häufig – und ja, natürlich habe ich das auch schon selbst in ähnlicher Weise erlebt. Schon lange her, aber dennoch gut zu beschreiben.
      Herzliche Grüße
      Judith

      Antworten
  1. Christiane
    Christiane sagte:

    Ich glaube, die meisten kennen derartige Situationen. Ich glaube, die meisten haben sich gewünscht, was du hier geschehen lässt: Dass den aufgeblasenen Armleuchter endlich der Schlag trifft.
    Ich zumindest habe es getan.
    Vielen Dank, dass du mitgeschrieben hast! 😁🧡👍
    Nachmittagskaffeegrüße 😁🌧️☕🍪👍

    Antworten
    • mutigerleben
      mutigerleben sagte:

      Liebe Christiane,
      danke dir.
      Ja, davon gehe ich aus, dass viele ähnliche Situationen kennen.
      Ich habe sehr gern mitgeschrieben und heute lief es von selbst.
      Herzliche Grüße
      Judith

      Antworten

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