FÜHLEN: Blind Date

Am Mittwoch kam Impuls 5 des Schreibexperiments von Susanne Niemeyer in der Fastenzeit. Eine Aufgabe, die sie anbot, lautete, eines der beschriebenen Gefühle ein „Blind Date“ mit einem anderen haben zu lassen und darüber zu schreiben.



„Guten Abend“, sagt die Ratlosigkeit und streicht sich über das hochgeschlossene, schwarze Kleid. Lange Locken, dunkelbraun und glänzend wie ein frischer Schokoladenguss, umrahmen ihr Gesicht. Es ist ein Gesicht, das schnell vergessen würde, wenn da nicht die besonderen Augen wären: eine Mischung aus grau und blau-türkis, wie das aufgewühlte Wasser des Sees an einem Tag mit Windstärke 6.

„Ich grüße dich, schön, dass du da bist“, erwidert die Dankbarkeit.
Alles an ihr leuchtet. Nicht aufdringlich, nein, das nicht. Es ist ein zartes Leuchten, so zart wie Schleierkraut, aber unübersehbar. Sie sieht die Ratlosigkeit an. Bleibt an ihren Augen hängen. Sieht hinein. Sie nimmt Unruhe und Unrast wahr und gleichzeitig eine Tiefe, die sie anzieht.

Es folgt ein langes Schweigen.

„Ich habe so viele Fragen vorbereitet, die ich dir stellen wollte – und jetzt sind sie alle verschwunden“. Die Ratlosigkeit schüttelt den Kopf.
Die Dankbarkeit grinst. „Dann lass uns doch einfach den Moment genießen“, sagt sie. „Und viele weitere Momente“.
„Aber, wie soll das gehen? Müssen wir nicht zuerst etwas voneinander erfahren? Wir kennen uns doch gar nicht! Ich weiß ja nicht einmal, wieso du das Leben so siehst, wie du es tust“. Die Ratlosigkeit verfällt wieder in Schweigen.

Es dauert, bis die Dankbarkeit das Schweigen unterbricht, dass sich wie ein Netz zwischen ihnen ausgespannt und sie miteinander verbunden hat.
„Wir zwei sind füreinander geschaffen. Deine Stärke ist es, den Finger in die Wunde zu legen, nicht viel als selbstverständlich zu betrachten und vor allem fehlt dir diese Sattheit, die zum Wegschauen führt! Sicher, du weißt oftmals nicht, wie es weitergeht, aber du scheust dich nicht, nachzufragen oder um Hilfe zu bitten. Du bist manchmal unbequem, aber du bringst andere dazu, ihren Blick zu weiten und verschiedene Möglichkeiten auszuloten. Schnelle Entscheidungen sind deine Sache nicht, aber wenn du dich für etwas entschieden hast, dann bleibst du dabei und gibst nicht vorschnell auf, weil es unbequem wird“.
Die Ratlosigkeit reißt die Augen auf. Dann lächelt sie. Ein Lächeln, das unzählige kleine Lichtfunken über das schwarze Kleid hüpfen lässt.
„So siehst du mich? Und das in“ – sie sieht auf die Uhr – „19 Minuten und 32 Sekunden?“. Sie holt Luft und ergänzt: „Davon abgesehen, hast du recht. Wenn ich meine Augen schließe, sehe ich uns als altes Paar auf einer Bank sitzen. Du siehst nicht mehr gut und ich bin schlecht zu Fuß, aber dein Leuchten und mein <ich weiß nicht so recht> sind noch da. Sie umgeben uns wie ein Regenbogen am dunklen Himmel.

Die Ratlosigkeit streckt der Dankbarkeit die linke Hand entgegen. Die Dankbarkeit kommt ihr entgegen, ganz automatisch verflicht sie ihre Finger mit denen der Ratlosigkeit. Und während sie sich einen Milchkaffee und einen Schwarztee bestellen, führen sie ihr Gespräch weiter. Worte sind dazu nicht nötig.

Die Belustigung, die Müdigkeit und die Freude, die gerade das Lokal betreten, spüren die Schwingungen der Liebe, die zu keimen beginnt. Und während die Müdigkeit unwirsch abwinkt, hüpft die Freude zu dem für sie reservierten Tisch – in einem Regenbogenfarbenbunten Wirbel. Und die Belustigung kichert.

 

 

 

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Welche beiden Gefühle haben bei Dir ein „Blind Date“?

Foto: © Erwin Grundler, Überlingen

 

 

10 Kommentare
    • mutigerleben
      mutigerleben sagte:

      Danke dir, liebe Sabine – freut mich.
      Beim ersten lesen dachte ich noch „Upps, da bin ich mal gespannt, was da erscheint“ – lief aber von alleine.
      Liebe Grüße
      Judith

      Antworten
      • mutigerleben
        mutigerleben sagte:

        Das finde ich eine tolle Frage, liebe Christiane.
        Mit deiner Erlaubnis schreibe ich gern noch einen kurzen Beitrag und stelle genau diese Frage – vielleicht reagiert ja einer der Männer, die mir folgen.
        Was meinst du, soll ich das probieren?
        Abendgrüße zu dir
        Judith

        Antworten
        • Christiane
          Christiane sagte:

          Das liegt allein bei dir, ob du das machen willst, liebe Judith, ich erhebe keinen Anspruch auf die Idee … 🤔😏
          Bin gespannt, ob du Reaktionen bekommst. Ich hatte ja im Stillen gehofft, dass Werner von der Frage motiviert werden würde 😉
          Abendgrüße 😉✨🍵🥗👍

          Antworten

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