Herbst-Tagebuch, 5. Oktober 2022

09:20 Uhr: Graue Decke

Heute umarmt der Nebel den Balkon. Er versteckt die Welt. So dicht. So nah. Und sicher auch so feucht. Eine hellgraue Decke, aus Schichten gewoben. Ob ich das Loch nach Fantasien wiederfinde? Ich bin neugierig…

10:35 Uhr: Es beginnt

Aus dem Nebel wachsen Schatten. Grau-schwarz. Unschärfe an den Rändern. Sie schenken Einblicke. Fantasien ist es nicht. Reales taucht aus dem hellgrau auf. Gibt dem Tag Kontur. Von oben kommt ein Strahl. Die Sonne sucht das Loch zur Welt, so wie ich das nach Fantasien. Wer schneller fündig wird?

 

12:00 Uhr: Blau macht sich breit

Die Sonne hat ihr Loch gefunden. Stück für Stück übernimmt das Blau das Ruder. Noch liegen Nebelbänke über See und Ufer und ins Blau mischt sich weiß. Es ist ein Herbsttag, wie ich ihn mir wünschte: Die Blätter leuchten, als ob eine Herbstlampe angezündet wäre. Die Vögel, die in Scharen vorbeifliegen, zeichnen die Wiese für Sekunden schwarz.

18:45 Uhr: Abenddämmer

Die Sonne hielt, was sie versprach. Ich saß auf dem Balkon und habe gearbeitet. Drei Seminarabende sind fertig geworden. Offensichtlich lässt Wärme nicht nur Blumen sprießen, sondern auch meine Gedanken. Eine Dreiviertelstunde war ich spazieren. Jetzt legt sich Abenddämmer vor mein Fenster. Aber mein Tag endet noch nicht. Gleich gebe ich eine Fortbildung zum Thema „Verwöhnung“. Ich betrachte mit Sorge die verwöhnten Kinder, die sich hier tummeln. Und die Eltern, die so uferlos verwöhnen. Sie werden ihre Gründe haben, nehme ich an. Stärke verleiht das den Kindern aber nicht – so viel jedenfalls ist sicher.

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