Hochschauen

Letztens fand ich folgenden Satz in meinem Kalender: „Ich vermeide es, nach vorn oder zurückzuschauen. Ich versuche einfach, nach oben zu schauen!“[1]

 

DSC_6280„Hoppla!“, dachte ich, „welch starker Spruch.“ Um mir gleich darauf die Frage zu stellen, ob das überhaupt möglich ist. Nun bin ich keine (mehr), die ständig zurückschaut. Gleichzeitig weiß ich auch, dass die Rückschau mir geholfen hat. Geholfen hat, meine Geschichte zu verstehen. Geholfen hat, die Geschichten hinter meiner Geschichte zu verstehen. Geholfen hat, Wunden und fehlende Chancen zu verstehen. Geholfen hat, meinen eigenen Anteil an meiner Geschichte zu verstehen. Geholfen hat, einen Blick zu entwickeln für die Schätze und Ressourcen in meiner Geschichte. Dies war und ist für mich, für mein Leben, für meine Entwicklung, für meine Arbeit und für mein Sein wichtig.

Der Blick voraus – gepaart mit Neugier, die nach entdecken und verstehen sucht – war und ist ebenso nötig. Er zeigte mir, dass es andere Möglichkeiten gibt, als die bisher gekannten. Er zeigte mir, dass das Leben eine Fülle an Schätzen und Wundern parat hat. Er zeigte mir, was sein dürfte und könnte. Er zeigte mir, dass es weiter geht. Irgendwie. Immer. Er zeigt mir dies noch heute. Und doch trifft mich der Spruch von Charlotte Bronte bis in meinen Kern. Lässt mich aufhorchen. Lässt mich innehalten. Lässt mich lächelnd zustimmen.

Hochschauen. Da sein. Jetzt. Ganz. Ich. Ich, als die, die ich bin. Ich, als die, die ich werde. Jeden einzelnen Tag. Bis zum Schluss. Landschaft -4007

Hochschauen kann ich nur, wenn ich mich nicht beuge. Mich beuge unter den Lasten, den Wunden, dem Mangel des Lebens.

Hochschauen kann ich nur, wenn ich mich nicht selbst klein mache. Mich abwerte. Mich verurteile. Mich verschließe.

Hochschauen kann ich nur, wenn ich mich nicht tagträumend im „Später, wenn …“ verliere, statt zu handeln.

Hochschauen kann ich nur, wenn ich nicht angsterfüllt nach vorne schaue und schon im Voraus beklage, was kommen könnte.

Hochschauen kann ich nur, wenn ich an das Morgen glaube – und im Heute lebe.

Hochschauen braucht Mut, denn wenn ich hochschaue, zeige ich mich. Setze mich den Blicken der anderen aus. Kann mich nicht mehr verstecken. Ich richte mich auf. Stehe aufrecht. Bin, die ich bin und die, die ich werde. Echt. Stark.

Danke, Charlotte, für diese Erinnerung.

[1] Von Charlotte Bronte; entnommen aus dem Kalender „Starke Sprüche starker Frauen“ 2017

Wie geht es Dir?
Schaust Du eher zurück oder nach oben?
Und wie unterscheidet sich das eine vom anderen?

Fotos: Erwin Grundler, Überlingen-Aufkirch

 

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