ICH MAG, ICH MAG NICHT
Das ist ein Text, der letzte Woche im Schreibatelier mit Susanne Niemeyer in Bad Urach entstanden ist. Ich mag daran, dass Kleines neben Großem steht, dass mögen und nicht mögen sich mischt, dass ich begründen kann, aber nicht muss und dass die Bilder, die ich mit Worten zeichne, vermutlich viele Menschen kennen. Und ich mag daran, dass ich beim Schreiben in den Fluss gekommen bin und gespürt habe, ich könnte noch viele weitere Seiten in meinem Heft füllen. Das zeigt mir einen unglaublichen Reichtum.
Ich mag die Elster, die mir gegenüber auf dem Dachfirst hockt und mit dem Schwanz wippt. Ich mag blauen Himmel, gern auch mit weißen Schlieren. Ich mag die Sonne, vorausgesetzt, sie ist nicht zu heiß und ich mag es, vom Liegestuhl aus Wolkengestalten aufzuspüren. Ich mag weder Spinnen, schon gar nicht Nosferatu, noch Zecken. Und Mäuse, die vor mir über den Weg huschen, sind mir ein Gräuel.
Ich mag Wanderwege. Solche, die zuverlässig den Weg zeigen. Solche, die mir Ausblicke bieten. Solche, die mir Weite zeigen. Ich mag Wege, die angesiedelt sind zwischen Wald und Wiesen. Die an Dörfern vorbeiführen und wenig begangen sind. Und solche, die nicht zu steil bergauf oder bergab führen.
Ich mag Seen. Große, weite und kleine Tümpel. Ich mag Seen, deren Farbe zwischen eisblau und mystisch grün liegt. Ich mag Klatschmohn und Kornblumen im Gelb des Getreidefeldes. Den Duft einer Rose an meinem Geburtstag. Meinen Namen und dass ich eine Frau bin.
Ich mag schreiben. Viel schreiben. Und lesen. Viel lesen. Ich mag Erwin, meine Kinder, meine Enkelkinder, meine Freundinnen. Ich mag Instagram. Schattenplätze. Und Lakritze. Das Süßholz in ihr mag ich allerdings nicht. Ich mag Zitronen- und Heidelbeereis, aber keine Eintöpfe. Ich mag mein Essen erkennbar und sortiert. Menschenansammlungen mag ich nicht, sie überfordern mich mit ihrer Vielzahl von Gerüchen und Stimmlagen.
Ich mag keine Narzissten, die andere abwerten und kleinmachen. Die eine Lüge als ein „Anpassen der Wahrheit“ bezeichnen. Die von ihrer Herr-lichkeit so überzeugt sind, dass in ihrer Nähe niemand sich traut, den Kopf zu heben.
Ich mag Schreiben mir der Hand. Die Geschwindigkeit meiner Gedanken. Das Wissen, wie ich einen gebrochenen Zeh versorge und das Spiel mit Aquarellfarben. Ich mag intuitives Malen. Das Entdecken von Formen und Figuren in einem Bild. Das etwas hineingeheimnissen und die Lernerfahrung des Malens, alles darf sein. Ich mag den Satz „Wenn mein Bild mir nicht gefällt, ist es bloß noch nicht fertig.“
Den Satz „Das war schon immer so“ mag ich gar nicht. Genauso wenig wie ein „Wo kämen wir hin, wenn jede/jeder…“. Ich mag nicht, dass die katholische Kirche seit hunderten von Jahren Frauen diskriminiert. Und ich mag nicht, dass viele Menschen sich weigern, anzuerkennen, dass es strukturelle Gewalt in ihr gibt. Ich mag den Gedanken, dass es andere Formen gibt, Spiritualität zu leben, als ich es gelernt habe. Ich mag den Mut, den ich aufbringe, um anderen Möglichkeiten Raum zu geben.
Ich mag Erdbeeren. Auch selbstgepflückte. Ich mag Nachdenkpausen. Die Verlangsamung. Das Spinnen von Ideen. Ich mag mehr ein „du kannst“ als ein „du musst“. Ich mag Gärten voller Blumen, gepflegte Beete und die weißen Blüten der Ackerwinde, die sich, trotz aller Arbeit, immer wieder einschleicht.
Ich mag den Winter nicht. Vor allem, wenn er sich zu kalt oder matschig zeigt. Ich mag lange Abende bei Kerzenlicht oder am Lagerfeuer. Ich mag stilles stochern in der Glut und im Feuer gebackene Kartoffeln. Ich mag weder Bierseligkeit noch Humptata-Musik und ich kann es nicht leiden, von Betrunkenen angemacht zu werden. Ich mag keine Gewaltfilme, zu denen für mich auch der „Tatort“ zählt und ich mag, dass ich trotzdem, quasi aus Versehen, eine Geschichte schreiben kann, die der Anfang eines Thrillers sein könnte.
Ich mag einen Liegestuhl im Garten unter der Linde. Vogelgezwitscher am Morgen. Einen Vorhang vor dem Fenster. Ein Zimmer für mich allein. Sonnenblumen und Gänseblümchen. Und ja, ich mag das Leben. Dieses so unvollkommene Leben.
© Judith, 13. Juni 2023
Wenn Du Lust hast, schreibe Deinen „Ich mag, ich mag nicht“ Text und teile ihn gern mit mir. Ich bin sehr gespannt…
Foto: © Erwin Grundler
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