Mittwoch, 06. Mai 2020

09.40 Uhr – Sonnenschein

Die Sonne ist da. Verausgabt sich. Noch aber wärmt sie nicht ins Zimmer hinein. Ich schaue hinaus. Sehe Gräser sich im Wind bewegen und Kleeblätter schaukeln. Die Birke weiter unten auf der Wiese schwankt wie ein Segelboot bei hohen Wellen. Von meinem Sessel in der Praxis sehe ich nur die Bewegung des Grüns. Ansonsten scheint alles ruhig. Kein Vogel fliegt vorbei. Keine Fliege krabbelt auf der Terrassentür. Die Stühle stehen still. Es ist, als ob in diesem Moment alles verharren würde.
Ich weiß: Schon wenn ich aufstehe, verändert sich etwas. Als Allererstes mein Blickwinkel. Dann wird der Ausschnitt größer. Achtung!

11.15 Uhr – Schwer

Manche Dinge und Situationen sind schwer. Unendlich schwer und anstrengend. Sie drücken einem zu Boden. Rauben die Kraft. Verwässern das Denken. Überbordende Gefühle wie Sorgen, Angst und Panik nehmen dich ein. Es scheint, als on die Dinge gleichzeitig schrumpfen und sich ausdehnen.
Ohnmacht. Nichtwissen. Stumme Schreie. Erbarmungslos.
Das Karussell dreht sich. Schneller. Schneller. IN eine Richtung. Immer gleich. Stoppen – das scheint unmöglich; aussteigen erst recht. Ein Licht am Horizont wäre gut. Ein Faden, der Halt gibt und den Weg weist, auch. Anders soll es sein. Sofort. Jetzt gleich.
Nein, so geht es nicht. Weder jetzt, in der Krise, noch sonst.

22.00 Uhr – Abendstunde

Die Gespräche sind geführt. Ich weiß, worauf ich mich einstellen kann. Die anderen wissen es auch. Der Tag brachte neue Informationen und altes Gewohnt.
L. hat begeistert zugehört – und wollte nicht, dass ich mit Vorlesen aufhöre.
Ein wenig Malen. Schreiben. Arbeit. Gemeinsam und allein.
Fast wie immer in den letzten Wochen.
Wollte ich dem heutigen Tag einen Rahmen geben – er wäre Rot. Erdbeerrot. Mit winzigen grünen Hoffnungskörnchen. Und er wäre breit. Würde auffallen. Laut rufen „schau“. Dabei war nichts Besonderes. Gar nichts. Zumindest nicht, wenn ich mit „Besonderes“ etwas Großes meine. Etwas Ausgefallenes. Etwas Anderes.
Heute reicht da sein.

 

|WERBUNG WEGEN NAMENSNENNUNG, UNBEZAHLT|

Die Idee des „Corona-Tagebuchs“ habe ich von B. Pachl-Eberhart.

 

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