Moral oder Macht?

Ein Ende der GroKo-Verhandlungen ist endlich absehbar. Zeit ist es! Zeit, eine Regierung zu haben, die ihren Eid ernst nimmt und etwas für das Land tut. Ob das so aber gelingt? Da bleibt für mich ein großes Fragezeichen.

Natürlich hat Politik auch immer etwas mit Macht zu tun. Allerdings scheint mir momentan, dass es – im gleichen Maß, wie der Machtanspruch zunimmt – mit Moral und Anstand bergab geht.
Wie sollen ich und meine Mitmenschen – oder Staatsfrauen und Staatsmänner anderer Länder – einen Politiker ernst nehmen, der erst energisch verkündet, sich auf gar keinen Fall in eine GroKo zu begeben, dann, aufgrund massiven Drucks, zähneknirschend in Sondierungen einsteigt, um später seine Basis anzubetteln, ihn doch bitteschön GroKo-Verhandlungen aufnehmen zu lassen? Um dann, als Sahnehäubchen obendrauf, aller Voraussicht nach das Amt des Außenministers anzunehmen, nachdem er mehrfach betont hat, keinesfalls ein Ministeramt zu übernehmen?

Die Zeiten, als Politiktreibende in Deutschland und anderen Ländern noch Vorbilder waren, sind lang vorbei. Und dennoch frage ich mich, wie manche unserer Politikerinnen und Politiker sich (noch) im Spiegel ansehen können. Ich bin davon überzeugt, dass Herr S. sich, seiner Partei und dem Land mehr gedient hätte, wenn er sich von vornherein der politischen Verantwortung gestellt hätte und seiner Linie, keinesfalls ein Ministeramt anzutreten, treu geblieben wäre.
So bleibt wieder einmal nur ein übler Nachgeschmack. Denn das altbekannte <Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern!> schädigt das Vertrauen und treibt noch mehr Menschen in die Arme von Parteien mit kruden, gefährlichen, rüden und rechtsnationalen Ideen.
Und wenn dann auch noch bayrische Politiker mit AFD-Positionen liebäugeln und Politiker sich wie Kinder aufführen, die mit einem „Ätschi-bätsch, ich will doch nicht!“, abhauen und die Brocken hinschmeißen – dann kann von Anstand, Moral oder Verantwortungsbewusstsein als wichtige Qualitäten keine Rede mehr sein.

Mich treibt die Frage um, ob wir – in Zeiten von Wandel, Unsicherheiten und Zerbrechlichkeit – diese Qualitäten nicht dringender benötigen würden, als selbstverliebtes, narzisstisches Machtstreben.

Und damit wir uns richtig verstehen: Mir geht es keinesfalls darum, dass Menschen keine Fehler machen dürfen oder sich niemals um entscheiden können. Natürlich ist das möglich und auch ich habe Fehler, mache welche und stehe dazu (wenn dies auch manchmal anstrengend ist). Dennoch – davon bin ich überzeugt – ist es für ein gelingendes Leben wichtig, sich der eigenen Werte bewusst zu sein, diese immer wieder auf den Prüfstand zu stellen und nötigenfalls ein Nein zu sagen, das genauso gemeint ist. Dann nur brauche ich mich nicht bis zur Unkenntlichkeit verbiegen und darf sein, was ich bin – vielleicht unscheinbar, aber erkennbar einzigartig.

 

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Foto: Erwin Grundler, Überlingen-Aufkirch

 

 

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