Morgengedanken am Sonntag: Selbstverständlich
„Alles war so selbstverständlich…“ – diesen Satz las ich neulich in einer Todesanzeige. Er hat mich nachdenklich gemacht.
Ja, ich bin schon lange dabei, immer weniger Dinge als selbstverständlich zu betrachten. Und immer wieder gelingt es mir auch. Dennoch bemerke ich, wie tief dieses „selbstverständlich“ verankert ist. Dabei weiß ich aus Erfahrung, dass ich zufriedener bin und mein Blick aufs Leben sich weitet, wenn ich weniger als selbstverständlich betrachte.
Was brauche ich dazu, weniger als selbstverständlich zu betrachten? Zum einen den Willen, das zu tun. Zum anderen das Üben und die Reflektion: Wo ist es mir gelungen und was war mein Beitrag dazu, dass es geklappt hat. Ebenfalls wichtig: Mein achtsames Sein. Mache ich Dinge achtsamer – z.B. morgens aufstehen – dann hat der Gedanke mehr Platz, als wenn ich in Routinen verhaftet bin. Dabei ist es ja alles andere als selbstverständlich, dass ich Routinen entwickelt habe.
Was nicht selbstverständlich ist:
– Dass die Sonne scheint
– und dass es regnet,
– dass ich aufstehen, gehen, sprechen, schreiben kann,
– dass das Haus warm ist und ich jeden Tag satt werde,
– dass ich Freundinnen habe, die mich schon seit Jahrzehnten begleiten,
– dass ich mich an der Margerite im November freuen kann,
– dass ich Freude am Malen habe,
– dass sich meine Kreativität „schält“ – die Schichten von <nicht-gut-genug> abwirft,
– dass wir an einem Strang ziehen,
– dass Familien mit Konflikten leben und Wege zueinander finden,
– dass Menschen ihre Gefühle zeigen – und zeigen dürfen,
– dass eine Verletzung verziehen werden kann,
– dass meine Ideen sprudeln,
– dass Hortensien rosa sind,
– dass Advent gefeiert wird.
Und – was ist für Dich nicht selbstverständlich?
Foto: © Erwin Grundler
da stimme ich dir gerne zu, liebe Judith, (wieder ein tolles Bild ;-) mir fällt noch ein zum Beispiel….
Es ist nicht selbstverständlich, dass wir in Deutschland (und anderen wenigen Ländern) auf die Strasse gehen können um unsere Meinung zu sagen ohne bestraft zu werden
Es ist nicht selbstverständlich, dass mein Herz pausenlos schlägt
Es ist nicht selbstverständlich, dass ich gesund bin
Es ist nicht selbstverständlich, dass wir hier in Frieden und selbstbestimmt leben können
Es ist nicht selbstverständlich, dass so viele Menschen ehrenamtlich arbeiten
Es ist nicht selbstverständlich, dass es bei uns so viele Hilfs- und Unterstützungsprogramme gibt
Es ist nicht selbstverständlich, dass ich viele Möglichkeiten habe kreativ zu sein
Es ist nicht selbstverständlich, dass es so viele offene Herzen gibt die Menschen willkommen heißen
Es ist nicht selbstverständlich, dass es Schnee an Weihnachten gibt
Es ist nicht selbstverständlich, dass es so viel Auswahl in den Supermärkten gibt (ob das sein muss ist eine andere Frage)
Es ist nicht selbstverständlich, dass der Mond sich immer wieder von einer anderen Seite zeigt
Es ist nicht selbstverständlich, dass es einige Menschen gibt, die immer für mich da sind
Es ist nicht selbstverständlich, dass ich morgens aufwache
Liebe Tina,
auch diese „Nicht selbstverständlich-Liste“ berührt mich. Sie weitet nochmal meinen Blick und gibt mir Anregungen.
Herzliche Grüße
Judith