Neutral

Gestern war im Südkurier* unter dem Titel „Corona ist nicht besonders gefährlich“, ein Interview mit Herrn Bhakdi zu lesen. Er ist in den letzten Wochen mit seinen Thesen zur Pandemie bekannt geworden.
Man mag zu diesen Thesen stehen, wie man will – das bleibt jeder und jedem selbst überlassen. Und ich schreibe es hier deutlich: Er hat, wie jede und jeder andere auch, natürlich das Recht auf seine eigene Meinung, und das Recht, diese – in geeigneter Form – zu äußern, unabhängig davon, was andere denken. Mir geht es an dieser Stelle keineswegs um seine Thesen.

Nein, ich bin in diesem Interview über den Begriff „neutral“ gestolpert, den Herr Bhakdi benutzt. Sinngemäß wurde er gefragt, ob er sich einer bestimmten neuen Bewegung anschließen würde. Seine Antwort lautete: (Zitatbeginn) „Ich trete nicht bei, bevor der ganze Spuk vorbei ist. Grundsätzlich will ich neutral bleiben“. (Zitatende)

Wie bitte? Neutral bleiben? Unter „neutral“ verstehe ich: <unparteiisch sein; sich im Konfliktfall nicht auf eine der beteiligten Seiten zu stellen; keiner Partei angehören.> Herr Bhakdi mag keiner Partei angehören und sich deshalb als „neutral“ betrachten; das ist allerdings nur ein Aspekt der Bedeutung.
Ich reibe mir verwundert die Augen. „Neutral“ – das geht anders, da bin ich mir sicher.

In den letzten Wochen ist mir  aufgefallen, dass es eine Spaltung in unserem Land gibt.
Da gibt es zunächst einmal zwei große Lager (nennen wir sie A + B), die das, was ist, gegensätzlich beurteilen und benennen; wobei manche derjenigen, die gegen die Einschränkungen votieren, zu „dicken (Wort)Knüppeln“ greifen. Wir haben also die zwei Lager A (die Politik) und B (die das alles übertrieben und unangemessen finden). Dann gibt es noch die Gruppe C, das sind diejenigen, die sich zwischen A+B einen Weg suchen.
Nehme ich jetzt den Begriff „neutral“ in seiner Bedeutung <sich im Konfliktfall nicht auf eine der Seiten zu stellen> würde das folgerichtig heißen: Herr Bhakdi sagt weder etwas zu A, noch zu B oder C.

Tut er aber nicht. Er gehört zur Gruppe B – zur Gruppe derer, die gegen die Einschränkungen sind. Und er liefert Argumentationen für diese Gruppe. Nochmal: Das darf er! Ich frage mich nur, wie er darauf kommt, seine Haltung als „neutral“ zu beschreiben?
Verwirrte Grüße …

 

|WERBUNG WEGEN NAMENSNENNUNG, UNBEZAHLT|

 

Wie verstehst Du „neutral“?

 

 

*Südkurier NR. 106, Freitag, 8. Mai 2020 – Thema des Tages „Corona ist nicht besonders gefährlich“, Seite 3

7 Kommentare
  1. Sonja
    Sonja sagte:

    Ja, im Moment kommen so viele „Experten“ zu Wort. Ich mag es nicht mehr hören oder lesen. Ich habe null Ahnung von medizinischen und wirtschaftlichen Dingen. Ich tue in dieser Situation das, was man von mir möchte in der Hoffnung, dass die Entscheider mehr Ahnung haben als ich…

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    • mutigerleben
      mutigerleben sagte:

      Liebe Sonja,
      so geht es mir auch. Und wie dir geht es vielen Menschen (mir auch), natürlich sind wir Laien auf dem Gebiet – und ich brauche Sachlichkeit. Die allerdings vermisse ich bei einigen der „Experten“.
      Liebe Grüße
      Judith

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  2. Annuschka
    Annuschka sagte:

    Vermutlich ist er „alternativ neutral“…
    Im Ernst, ich stimme dir vollkommen zu. Alternativ ist übrigens auch so ein Wort, über das sich das Nachdenken lohnt. Ich habe mich gestern mal auf der Seite Correctiv.org über die diversen Corona-Verschwörungstheorien schlaugemacht, da ist mir das Wort aufgefallen.

    Ich entstamme (wie vermutlich die meisten, die sich in unserem Bloggerdunstkreis tummeln) noch einer Generation, in der (gern durch die älteren, etablierten Gesellschaftsmitglieder) „alternativ“ mit Entenschuhen, „Müslifressern“, „Atomkraft – nein danke“ und so weiter assoziiert wurde.
    Wenn ich zu den Gründern der „Grünen“ gehören würde, dann käme mir jetzt glatt das Müsli von 1980 hoch, wer sich heutzutage so als „Alternative“ anpreist.
    Wie heißt es so schön? Nicht ärgern, nur wundern?
    Trotz vieler unerfreulicher Gedanken ein wunderschönes Wochenende wünscht
    Anja

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