Samstag, 23. Mai 2020

10.00 Uhr – Regen

Der angekündigte Regen ist da. Ich sehe das Grau schon durch den Vorhang hindurch. Es drückt ins Zimmer. Breitet sich aus. Der Regen tropft erst, dann plätschert er. Noch später klatscht er gegen das Fenster. Wasserstraßen rinnen herab. Auf den Autoscheiben perlen die Tropfen. Sie sehen aus wie durchsichtige Perlen. Halbierte. Kleine und größere Halbschalen sind das.
Ich nutze eine Regenpause. Gehe auf den Balkon. Schaue hinaus. Schaue hinunter. Wassertropfen liegen auch auf den Rosenblüten. Auf dem Grün. Und – besonders fein – auf den Blättern des Frauenmantels.
Ein Wasser-Gedicht aus Himmelstau – fällt mir ein. Ich höre hin. Übersetze: „Damit es lebt“.

15.00 Uhr – Besuch

Die Enkel-Buben brauchen dringend etwas anderes. Ein Besuch bei Oma und Opa wäre wieder mal nötig. Sie freuen sich. Legosteine, Lastwagen, Bagger, Kran und Traktor – alles hat lange gewartet. Sie sind beschäftigt. Es brummt. Piept, wenn der Lastwagen rückwärtsfährt. Der Traktor tuckert. Der Kran macht undefinierbare Geräusche. Legos werden aufgeladen, transportiert und wieder abgeladen. Eine Hauswand wird gebaut.
Dann kommt Hunger auf. Natur-Joghurt mit Heidelbeeren – davon sind sie begeistert. Sie sitzen auf den Kinderstühlen und strahlen.
Eine Pause. Eine, die nicht nur den Hunger stillt. Es ist auch eine vom Alltag in Corona-Zeiten, der so vieles für die Kleinen verändert.

18.50 Uhr – Zwischenstand

Momentan regnet es nicht. Vor der Terrassentür der Praxis ist der Boden bunt gesprenkelt. Rosenblütenblätter liegen davor. Sehr viele. „Wie bei einer Hochzeit“, denke ich und schmunzle. Aber nein – Hochzeit ist gerade keine. Selbst wenn eine geplant wäre, müsste sie ja vermutlich auch ausfallen.
Also überlege ich: Was ist der Sinn des Blütenstreuens an einer Hochzeit? Kann ich diesen Sinn auch auf den Alltag anwenden?
Ja, das geht. Denn eine Bedeutung des Blumenstreuens ist Fülle. Damit wird dem Paar Lebensfülle gewünscht. Auch Freude und farbenfrohe Tage werden gewünscht – kurz: Segen für das Leben.
Ich finde, das können wir alle brauchen.

20.30 Uhr – Rückschau

Nicht einmal die Hälfte von dem, was ich mir für heute vorgenommen hatte, ist erledigt. Dabei war es ganz sicher nicht zu viel. Nein, aber ich habe anderes getan, als auf der Liste stand.
Dem Regen zugesehen. Bügelwäsche aufgeräumt. Wäsche zusammengelegt und in den Schrank gepackt. Pakete ausgepackt und den Inhalt aufgeräumt. Der Rose beim Verwelken zugeschaut. Fotos betrachtet. Geschrieben. Beim Spielen zugesehen. Gehofft. Gelacht. Mich gefreut. Ideen gesponnen. Granatapfelkerne gegessen. Wäsche gewaschen. Zeitung gelesen. Ein Sudoku gelöst. Kartoffelsalat gemacht. Überweisungen erledigt. Ein Video aufgenommen. Dasselbe versendet. Nachrichten gelesen. Kommentare beantwortet. Mich in ein Thema eingelesen. Telefoniert.
Doch so viel!

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Die Idee des „Corona-Tagebuchs“ habe ich von B. Pachl-Eberhart.

5 Kommentare
  1. Seelenstreusel
    Seelenstreusel sagte:

    Liebe Judith,
    auch wenn du nichts von den geplanten Dingen erledigt hast, so hast du doch vieles geschafft und meines Erachtens vor allem eines getan: den Moment gelebt und genossen. „Dem Regen zugesehen. Der Rose beim Verwelken zugeschaut. Fotos betrachtet. Geschrieben. Beim Spielen zugesehen. Gehofft. Gelacht. Mich gefreut. Ideen gesponnen. Granatapfelkerne gegessen. Zeitung gelesen. Ein Sudoku gelöst. Kartoffelsalat gemacht. Ein Video aufgenommen. Dasselbe versendet. Nachrichten gelesen. Kommentare beantwortet. Mich in ein Thema eingelesen. Telefoniert.“ Und dazwischen noch ein paar Haushaltsdinge getan. Klingt nach einem perfekten Tag. <3
    Liebe Grüße
    Karina

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