Schreiben im Café: Die Stille spricht

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Am Küchentisch, im Garten, auf dem Balkon, am Schreibtisch oder … – das waren heute unsere Schreibplätze, da wir uns nicht im Café treffen konnten.
Zu wissen, dass andere zur selben Zeit schreiben, war schön – und doch ist es ganz anders gewesen. Denn obwohl ich jeden Tag, seit vielen Jahren, ganz für mich alleine schreibe, war dieses Schreiben heute Morgen anders. Heute hat mit etwas gefehlt. Die Stifte hören, ein hüsteln, ein Blatt umblättern und natürlich das Vorlesen. Und doch: So ist es jetzt. Ich habe dennoch geschrieben – und bin sehr gespannt, was ich an Ergebnissen geschickt bekomme.
Das heutige Thema habe ich anfangs November 2019 festgelegt – und es war der Tatsache geschuldet, dass am Gründonnerstag die <stillen Tage> unmittelbar bevorstehen. Von Corona war keine Rede – beim heutigen Schreiben aber schwebte es im Hinterkopf und zwischen den Wörtern.
Hier nun Einige meiner Ergebnisse.

Als Erstes: Das „verdichtete“ Ergebnis der Ankommübung:
Allein
am Tisch
Anregungen, Heft, Stift –
ich weiß mich verbunden –
geheimnisvoll.
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Die nächste Übung war „Schreiben zu einer Bildbetrachtung“. Was siehst Du? Welche Gedanken und Gefühle kommen? Was löst das Foto aus?

 

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Ruhe überkommt mich. Es ist. Da. Einfach nur so. Keinerlei Müssen.
Schattenwurf und Himmelsold. Tiefe und lichte Weite verbinden sich. Fließende Übergänge. Das Leben fließt. Der Tag fließt. Davon? Zurück? Hierher?
Berge und Wälder. Hell und Dunkel. Gehalten. Dazwischen. Aufgehoben. Da. Anders und doch ähnlich.
Ein Boot. Allein. Wohin? Woher? Als ob! Es ist. Das genügt. Ich auch.
Und Möwen ruhen. Mitten im Leben. Sie sind da. Still. Unbewegt.
Der Rand des Stegs ist beleuchtet. Die Stille spricht. Federleicht. Glockenhell. Sie berührt. Lässt. Lässt sein.
Die Stille spricht – zu Dir auch? Ja, wenn Du willst. Sie spricht.
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Die nächste Aufgabe: „Was passiert in der Stille?“ Schreibe eine Liste. Wähle eine Sache aus. Schreibe eine kurze Geschichte; beginne mit dem ausgewählten Wort, Satz, Satzteil.
Aus dem Kokon schlüpft ein Schmetterling. Er zittert im Ungewohnt. Probehalber schlägt er mit den Flügeln. Einmal, zwei Mal, drei Mal. Da bewegt sich etwas. Etwas in ihm. Etwas außerhalb von ihm. Er wird bewegt. Bewegt zum Leben.
Die Welt schweigt. Löwenzahnblüten verharren. Unbewegt die Gänseblümchen im Grün. Alles wartet. Warmer wind streicht über seine Flügel. Er raunt ihm zu: „Nur Mut! Flieg los, du schaffst das!“ Noch einmal pustet er ihn an. Ein Hauch nur. Einmal. Zwei Mal. Drei Mal. Der Schmetterling fliegt. Der Wind sieht ihm nach.
Das Leben lebt.
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Schreibe ein ABC-Darium zum Thema. Suche fünf Wörter aus. Schreibe zu jedem davon 2-5 Sätze. Lies die Sätze durch. Schreibe sie zu einem Text zusammen – die Reihenfolge der kleinen Sequenzen kannst du verändern, ansonsten nichts.

Untergehen kann ich im tiefen Wasser und auch in einem übervollen Terminkalender. Manchmal muss ich untergehen, um wieder auftauchen zu können. Durch die Oberfläche zu stoßen. Ans Licht. Ins Jetzt. Sehen. Fühlen. Hören. Neu beginnen.
Jetzt ist die Pausentaste gedrückt. Wie lange noch? Endlos schon – so scheint mir manchmal und gleichzeitig kommt es mir vor, wie ein Wimpernschlag der Zeit. Wer hält den Finger auf der Pausentaste? Was lässt loslassen? Die Pause zeigt uns Altes im neuen Kleid, bisweilen sogar im alten Kleid. Vergessenes taucht wieder auf. Ob es einen Platz findet?
Wer hätte gedacht, dass wir so getroffen werden? In unserem Machbarkeitsglauben. Im Lebenskern. In dem, was uns ausmacht. Im Menschsein. Wir sind soziale Wesen – daran führt kein Weg vorbei. Und jetzt? Sind wir so getroffen worden, dass die Erkenntnis bleibt? Treibt? Wird? Blüht?
Cherubina steht am Tor. Die mächtigen Flügel leuchten weiß im nachtblau des Abends. Neben ihren Füßen züngelt das Flammenschwert. Sie sieht. Wischt sich die Tränen ab. Erhebt die Hände zum Segen. „Ihr seid behütet“. Stille kehrt ein.
Ohnehin blüht es. Gelb und rot und blau und weiß. Farbmächtiges Zeichen des Lebens: Es geht. Es wird gehen. Es wird gegangen sein!
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Zum Abschluss: Schreibe eine „Freie Lyrik“ als Zusammenfassung.

Ein Samenkorn
bricht auf
schlägt
Wurzeln

der Tag
fließt
ins Schweigen
und
Sturm schläft
neben dem Flammenschwert

das Leben
schlummert
geborgen

Jetzt
und
Morgen

 

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Fotos: © Judith Manok-Grundler und Erwin Grundler, Überlingen

 

 

2 Kommentare
  1. Nachtwandlerin
    Nachtwandlerin sagte:

    Liebe Judith,
    mir haben all deine kleinen Werke gefallen, aber besonders deine Umsetzung des ABC-Dariums. Sie passen in der endgültigen Fassung so gut zusammen und haben mich beim Lesen sehr berührt.
    Ich wünsche dir einen ruhigen, entspannten Karfreitag!

    Liebe Grüße
    Alina

    Antworten
    • mutigerleben
      mutigerleben sagte:

      Liebe Alina,
      ich danke dir herzlich für deine Rückmeldung.
      Ja, diesen Text fand ich auch gelungen.
      Weißt du, ich weiß vor dem Schreiben ja schon, dass die kleinen Texte nachher zusammengesetzt werden. Während des Schreibens war ich – bewusst – sehr auf das Wort konzentriert und hatte das andere nicht im Blick – unbewusst vielleicht schon.
      Ich habe die Reiehnfolge, in der ich geschrieben habe, auch nur an einem Punkt verändert.
      Dir wünsche ich ebenfalls einen Feiertag, wie du ihn brauchst.
      Herzlich
      Judith

      Antworten

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