Sonntagsgedanken: Verpasste Chance

In dieser Woche gab es die Nachricht, dass es in der neuen Corona Verordnung des Landes Baden-Württemberg keine Änderungen für die Kirchen geben wird. Weiterhin dürfen Gottesdienste stattfinden – mit Maske, Abstand und desinfizierten Händen. Der Pressesprecher des Erzbistums Freiburg betrachtet das als gut!

Ich sehe das anders[1]. Und – damit keine Missverständnisse entstehen: Ja, mir ist bewusst, dass es das Recht auf freie Ausübung der Religion gibt und eine verbriefte Religionsfreiheit. Das will ich keinesfalls in Zweifel ziehen, einschränken oder abschaffen – es ist gut, dass es das gibt.

Darum geht es mir hier auch nicht.
Ich bin darüber traurig und ent-täuscht, denn zum einen fehlt mir die tätige Solidarität, zum anderen betrachte ich es als eine verpasste Chance. Wann, wenn nicht jetzt, wäre die Zeit, sich nicht im Gewohnten zu suhlen, sondern neue Wege zu suchen?
Neue Formen ausprobieren – Fehlanzeige! Nach draußen gehen – Fehlanzeige! Andere Menschen als bislang ansprechen – Fehlanzeige! Gottesdienst aus den Kirchen ins Leben hineinbringen – Fehlanzeige! Gottesdienste neu denken – Fehlanzeige!

Wozu auch <für uns läuft es ja> mag sich da manch einer oder eine denken. Ja, scheinbar läuft es. Gottesdienste können wie gewohnt als Eucharistiefeier stattfinden, Wortgottesfeiern und Andachten auch. Dazu gibt es inzwischen die Möglichkeit, die angebotenen Gottesdienste von zu Hause aus mitzuverfolgen. Was will man mehr? Alles ist gut!

Wirklich? Gilt nicht auch hier: „Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit“. Gerade weil wir alle gemeinsam Pandemiebedingten Veränderungen ausgesetzt sind, wäre der Rahmen für Veränderungen im kirchlichen Bereich gegeben. Als im letzten Frühjahr auch Kirchen geschlossen wurden, hatte ich kurzfristig das Gefühl „jetzt ist Aufbruch, jetzt wird geschaut, wie wir die Gemeinde erreichen können“. Leider aber hat das nicht angehalten. Viel zu schnell fiel alles in den alten Trott zurück. Ja, Gottesdienste von zu Hause anzuschauen, das ist geblieben. Wenn ich das will, kann ich mich aber auch entscheiden, wann und wo ich das mache – an die eigene Gemeinde bin ich dann nämlich nicht mehr gebunden. Und so bekommt die „Kirchenferne“, die so oft beklagt wird, eine weitere Dimension: der Bezug zur eigenen Gemeinde wird noch mehr schwinden als bislang schon.

Das klingt resigniert? Ja, das ist so. Und dennoch lebt in mir Hoffnung. Die Hoffnung, dass manchmal erst ein „zu Grunde gehen“ notwendig ist, um einen Neuanfang ins Auge zu fassen.



[1] Ich rede hier von meiner Kirchengemeinde – bin mir aber wohl bewusst, dass es andernorts vielleicht gar nicht so anders ist und auch, dass es möglicherweise hier oder dort positive Ansätze gibt

 

 

 

|WERBUNG WEGEN NAMENSNENNUNG, UNBEZAHLT|

 

 

 

 

 

 

Einen gesegneten dritten Adventssonntag wünsche ich Dir.

Foto: © Erwin Grundler, Überlingen

 

 

8 Kommentare
    • mutigerleben
      mutigerleben sagte:

      Danke dir, lieber Werner.
      ja, aber nicht mit Drohungen, leeren Versprechungen oder Besserwisserei, wie es früher ja oft war.
      die sogenannte „Frohe Botschaft“ in Alltagshandeln zu übersetzen und davon zu erzählen, das wäre was…
      Liebe Grüße
      Judith

      Antworten
  1. Monika-Maria Ehliah
    Monika-Maria Ehliah sagte:

    Ich schreibe auch aus meinen Erfahrungen und schließe mich an,
    dass es auch Anderes gibt.
    ***
    Liebe Judith,
    welch ein Thema die Kirche und ihr Personal.
    Also Judith, eines darf ich dir mit Sicherheit sagen,
    dass sich da wirklich was ändern würde / wird,
    den Glauben daran habe ich begraben.
    Ich war vor vielen Jahren selbst aktives Mitglied in der Pfarre.
    Nämlich im Familengottesdienst-Liturgie-Kreis. Mit großer Freude und Engagement.
    Doch es war, immer mehr immer weniger möglich.
    Kaum hatte ich den Eindruck, es bricht wo ein kleiner Spalt auf,
    wurde dieser wieder zugeschüttet. Aber gewaltig. Beinahe zubetoniert.
    Mit Taten, mit Worten, mit unqualifizierten Kommentaren
    Seit Jahren gibt es hier bei uns den Slogan:
    „Kirche neu denken!“ Nur kann ich das nicht erkennen.
    Nach meiner Meinung werden die Kirchen keine,
    frische Luft in die alten Gemäuer lassen wollen.
    Und wenn ich erlauben darf das loszuwerden.
    Ich denke in Wahrheit geht es um Machterhalt.
    Zum Thema „Frauen in der Kirche,
    braucht mensch nicht einen Gedanken mehr verschwenden ….
    Judith, das sind meine Erfahrungen.
    Hab du mit deinen Lieben einen segensreichen Sonntag im Advent.
    m:m:

    Antworten
    • mutigerleben
      mutigerleben sagte:

      Liebe Monika,
      danke dir für deinen ausführlichen Kommentar.
      Ja, ich weiß, dass es auch anderes gab (gibt vielleicht auch). Ich habe eine „Ehrenamtskarriere“ in der Kirche hinter mir – und es gab eine Zeit, in der war Aufbruch spür- und lebbar. Davon gibt es hier schon lange nichts mehr. Dieses zubetonieren, von dem du schreibst, das kenne ich auch.
      Kirche neu denken – der ist gut!
      Dazu muss aber noch vieles passieren.
      Und natürlich darfst du das loswerden: Selbstverständlich handelt es sich dabei um Machtfragen; es geht um nichts anderes. Das ist mir übrigens schon mein Leben lang klar.
      Ja, es gab auch Veränderungen für Frauen in der Kirche – aber grundlegendes wird sich nicht verändern, dazu haben die Männer viel zu viel Angst.
      Herzliche Abendgrüße zu dir
      Judith

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