SONNTAGSGEDANKEN: WIE SCHMECKT EIN WORT?

„Morgenmandelduft“ – dieses Wort steht plötzlich vor mir. Was soll ich mit ihm anfangen? Ich kann das Wort weder essen noch riechen. Und überhaupt: Was hat das Wort <Morgen> mit Mandelduft zu tun? Wie Mandeln schmecken, weiß ich, aber – wie schmeckt der Morgen? Wie ein Duft? Wie ein Wort? Genauer: Wie dieses Wort?

Ja, wie schmeckt ein Wort? Schmeckt es so, dass mein Herz sich weitet und sich mein Mund zu einem Lachen verzieht? Oder schmeckt es wie Licht, das auf den See fällt? Oder wie die Sonne, die langsam den Schnee taut? Oder schmeckt ein Wort nach Nichts? Einem leeren Nichts?

„Ist das Nichts leer?“, fragt mein Wort mich.

„Liebes Wort“, sage ich, „ob das Nichts leer ist oder nicht, vermag ich nicht zu sagen.“

Das Wort schweigt. Ich sehe es an.

„Warum nicht“, fragt das Wort. „Warum kannst du das nicht sagen?“

„Ich habe noch nie darüber nachgedacht“, antworte ich dem Wort.

„Dann mach es jetzt“, sagt das Wort und wippt mit dem Fuß.

Ich lehne mich zurück und strecke dem Wort die Hand entgegen. „Komm zu mir“, sage ich zu meinem Wort. Ich klopfe auf das Sofa neben mich. Das Wort zögert, aber dann macht es einen Schritt und noch einen. Jetzt sitzt es neben mir. Ich warte. Es auch. Und dann lehnt sich das Wort in meinen Arm.

 

 

 

 

Einen gesegneten 3. Adventsonntag wünsche ich von Herzen!

Wie schmeckt ein Wort? Und wie das Wort MORGENMANDELDUFT?

Foto: © Judith Manok-Grundler

 

4 Kommentare
  1. Elvira
    Elvira sagte:

    Ein interessanter Impuls, darüber nachzudenken, wie Worte schmecken.
    Ich glaube, das tun sie wirklich!
    Sie schmecken manchmal zuckersüß und auch bitter.
    Aber sie können auch singen und klingen.
    Und dabei fällt mir ein Satz aus einem Rilke- Gedicht ein
    „Die Dinge singen hör ich so gern.“
    „Ich fürchte mich so vor der Menschen Wort“, so heißt es, glaub ich.
    Auf jeden Fall, Worte wirken!

    Antworten
    • Judith Manok-Grundler
      Judith Manok-Grundler sagte:

      Liebe Elvira,
      danke dir für deinen Kommentar.
      Schön, dass du „Geschmack“ an und in Worten findest.
      Das Gedicht von Rilke werde ich mal suchen – das kenne ich nicht.
      Liebe Grüße
      Judith

      Antworten
  2. Tina
    Tina sagte:

    Oh ja, da stimme ich zu – gewisse Worte können einem den Geschmack verderben, weil sie wirken.
    Manche Worte können auch irgendwie nicht wirklich zurückgenommen werden. Sie lassen sich beim Empfänger nieder und sind teilweise noch nach Jahrzehnten abrufbar.
    In dem Film/Buch HOMO FABER ist ein Beispiel dafür, als das Paar von einem Wort getrennt wird mit weitreichenden Folgen: Er sagt DEIN Kind statt UNSER Kind, als sie ungeplant schwanger wird.
    Genauso können bestimmte Worte auch blumigzart oder rosaweich schmecken, sie können Heißhunger auslösen bei kulinarischen Schilderungen oder Sehnsuchtstürme initiieren wenn vertraute Stimmen Herzensworte ins Ohr flüstern (Telefon geht auch…)
    Es ist ratsam Worte sehr bedacht zu wählen.

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    • Judith Manok-Grundler
      Judith Manok-Grundler sagte:

      Liebe Tina,
      ja, da hast du recht – manche Worte sinken sehr, sehr tief – gut, wenn es positive, stützende sind. Das andere gibt es leider auch, wie in deinem Beispiel.
      Und blumigzsrte und rosaweiche Worte sind klasse. Welch eine wonne.
      Liebe Grüße
      Judith

      Antworten

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