Sternenminuten 2021: Alltagsengel
Ich bin/war mit Schreiben gerade ziemlich in Verzug. Aber hier kommt der tagesaktuelle Beitrag „Alltagsengel“ von den „Sternenminuten“. https://www.freudenwort.de/schreibexperiment-im-advent/ Unter der Überschrift gibt es 6 Satzanfänge. Einen sollten wir auswählen und erzählen, wie es weiter geht.
„Wirf deinen Mantel um und folge mir“. Der Engel steht vor der Haustür und blockiert sie.
„Hm, was willst du von mir?“
„Wirf deinen Mantel um und folge mir!“
Ich sehe ihn an, den Engel. Im Halbdunkel kann ich nicht ausmachen, ob er weibliche oder männliche Züge trägt.
„Jetzt guck nicht so, mach einfach. Folge mir“.
Ich tue, wie mir geheißen. Wir verlassen das Haus. Treten ins Abenddunkel. Der Engel läuft sofort los. Er geht vor mir her. Ist kaum zu sehen. Ich beeile mich, um mit ihm Schritt zu halten.
„Wo gehen wir hin?“, frage ich den Engel.
Er antwortet nicht. Stattdessen beschleunigt er den Schritt. Läuft vor mir her. Ab und zu blitzt es silbern auf seiner Kleidung.
Es ist still. Nicht einmal der Schnee knirscht unter unseren Füßen. Kein Mensch begegnet uns. Ich sehe auch keine leuchtenden Tieraugen am Waldrand. Der Wind schläft und Wolken bereiten dem Himmel ein Bett.
Wir gehen. Der Engel voraus. Ich hinterher. Ich setze einen Fuß vor den anderen und gehe. Und gehe. Und gehe.
Meine Gedanken fliegen davon wie aufgeschreckte Vögel. Ich sehe die Hektik davon flattern, leicht wie ein Schmetterling. Antworten winken mir zu und rufen ich komme später wieder.
Wir gehen. Der Engel voraus. Ich hinterher. Die Zeit schrumpft und dehnt sich aus. Der Weg wächst und bleibt stets gleich. Als wir wieder an meiner Haustür ankommen, weiß ich nicht, ob wir eine Tagesreise hinter uns haben oder nur einen Wimpernschlagkurzen Weg. Aber ich spüre ein Ziehen im Herz, Wärme im Bauch, ein Kribbeln in den Füßen und ein Lächeln auf dem Gesicht.
„Ich bin der Engel des Schweigens“, sagt sie und verschwindet.
Ich bleibe zurück. Hier. Jetzt. Zu Hause. In mir. Im Schweigen.
Das Schweigen wiegt federleicht. Ich trage es mit mir und weit
|WERBUNG WEGEN NAMENSNENNUNG UND VERLINKUNG, UNBEZAHLT|
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Foto: © Erwin Grundler, Überlingen
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