Themengeschichte 22: Erlebe Lust
„Komm mit mir“, sagt der Marienkäfer zu Ameise. „Wir machen einen Ausflug zum Schlehenbusch“.
Gemeinsam brechen sie auf. Die Ameise eilt über die Straße, während der Marienkäfer vorausfliegt, umkehrt und wieder vorwärts fliegt. Bald sind sie beim Schlehenbusch angekommen. Unzählige weiße Blüten laden die beiden zu einem Festmahl ein.
„Du, schau mal“, sagt die Ameise, „da sind noch mehr von deiner Sorte da!“ Der Marienkäfer schaut sich um. Eins, zwei, drei, vier, fünf andere Marienkäfer zählt er über, neben und unter sich. Bald sitzen sie alle zusammen auf einem dünnen Zweig und lachen, bis der sich biegt. „Plumps“, kichert die Ameise und hält sich den Bauch, als sie sich neben ihrem Freund auf dem Boden wieder findet. „Das ist eine tolle Rutsche“, japst der Marienkäfer. „Komm, lass uns weiterrutschen“. So vergeht der Nachmittag unter Gelächter und mit lustvollem Spaß.
Die Sonne beginnt gerade, hinter dem nahen Wald zu sinken, da kommen ein kleiner Junge und seine Mutter am Schlehenbusch vorüber. „Mama, schau mal“, sagt er, „der Marienkäfer rutscht. Ich will auch zur Rutschbahn“. Die Mutter schüttelt den Kopf. „Svennilein, du weißt doch, dass wir jetzt nach Hause müssen. Der Papa wartet mit dem Abendessen und du musst ins Bett. Der Tag war anstrengend und kleine Kinder müssen schlafen“.
„Ich will aber nicht ins Bett, ich will so lustig rutschen wie der Marienkäfer“, schreit der Kleine. Schon laufen ihm die Tränen über die Wangen. „Schluss jetzt, Svennilein, wir gehen nach Hause“. Die Mutter greift nach der Hand des Kleinen und zieht ihn hinter sich her.
Die Marienkäfer und die Ameise hören das Heulen und schütteln ihre Köpfe. „Da muss sich doch was machen lassen“, flüstert die Ameise. Und dann sagt sie dem Marienkäfer etwas ins Ohr. Kurz darauf sitzen unzählige Ameisen und Marienkäfer am Fenster bei dem kleinen Jungen. Sie singen ein Lied, das nur er hören kann. Er steht auf, kommt ans Fenster, sieht die Käferchen sitzen und winkt ihnen. Wie von Zauberhand gelenkt, kriechen und fliegen sie ins Zimmer. Sie schlagen Salto, fliegen einen Looping nach dem anderen, tragen Brotkrümeln vor sich her – kurz: Sie zeigen dem Kleinen all das, was sie können und woran sie Freude haben. Erst schaut der Kleine ihnen zu. Dann schläft er ein, ein Lächeln auf dem Gesicht. Er träumt davon, wie er fliegen und rutschen kann, spielen und springen, solange er mag. Alleine oder mit seinen Freunden. Und als er laut im Schlaf lacht – wieder und wieder – da verlassen die Tiere ganz leise das Zimmer.
Wann erlebst Du (Lebens)Lust? Text: © Judith Manok-Grundler Foto: Erwin Grundler, Überlingen-Aufkirch
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