Themengeschichte 23: Bald, schon bald …

Bald, schon bald – das ist ein Versprechen. Ein hoffnungsvolles Versprechen. Ich bin davon überzeugt, dass uns der Frühling ein Versprechen gibt.

Am Donnerstag beim <Schreiben im Café> war dieses Versprechen des Frühlings unter anderem eine Schreibaufgabe. Hier kommt sie.

Johanna saß auf einer Bank am See und dachte über die jüngste Ereignisse ihres Lebens nach. Sie war so beschäftigt, dass sie den Tanz der Enten, der direkt vor ihren Augen am Uferstreifen stattfand, überhaupt nicht bemerkte. Alles war ihr egal. Alles! Ja, wenn sie es recht bedachte, wusste sie nicht einmal einen Grund, weshalb sie sich weiter anstrengen sollte.

„He, du da“, hörte sie plötzlich eine Stimme neben sich. Johanna war so überrascht, dass sie spontan erwiderte: „Ich heiße nicht <he, du da>, ich bin Johanna. „Ist ja schon gut“, erwiderte die Stimme. „Also, he, du, Johanna!“
Sie hörte es kichern. Johanna sah sich um. Neben ihr saß ein kleines, grünes Ding. „Wer bist du denn?“, fragte Johanna überrascht.
„Siehst du das denn nicht? Ich bin der Frühling!“, antwortete das grüne Etwas.
„Aha, der Frühling. So, so! Komisch, ich habe dich mir immer ganz anders vorgestellt. Größer und prächtiger!“

Wieder kicherte der Frühling. „Du Dusselchen, ich bin doch erst einen Tag alt. Wie sollte ich da schon groß sein?“ Er sah sie an. Johanna brummte vor sich hin. Sie antwortete nicht. Aber der Frühling ließ nicht locker.
„Vielleicht würde dir ein Ortswechsel gut tun. Aufstehen. Losgehen. Wach sein. Die Augen öffnen. Dich umschauen, statt im Selbstmitleid zu baden. Du würdest etwas anderes sehen – oder überhaupt etwas. Und wenn du an einem fremden Ort unterwegs wärst, müsstest du dich anstrengen, damit du dich nicht verirrst. Mit offenen Augen aber könntest du mich sehen, denn obwohl ich erst ganz klein bin, kannst du meine Zeichen allerorten entdecken. Wenn du willst, heißt das“. Das grüne Etwas schnaufte.

„Und wozu sollte das gut sein?“, fragte Johanna den Frühling, der es sich neben ihr auf der Bank bequem gemacht hatte. „Na, dass du mir glaubst. Ich verspreche dir neues Leben. Das gibt es. Immer schon. Auch gerade jetzt. In diesem Moment. Es wächst aus dem Alten, dem Dunkeln, dem Schweren und aus der Erstarrung heraus. Ich verspreche es dir, Johanna. Glauben aber musst du es selbst“, sagte er und verschwand.

 

20190320_092427

 

Was kommt bei Dir <bald,schon bald>?



Foto: Judith Manok-Grundler, Überlingen-Aufkirch
0 Kommentare

Hinterlasse einen Kommentar

An der Diskussion beteiligen?
Hinterlasse uns deinen Kommentar!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert