Vergänglichkeit

Heute sieht es so aus, als ob sich der Sommer verabschiedet hat. Und – nebenbei – es fühlt sich auch genau so an. Der Wechsel war angekündigt. Ich konnte mich darauf einstellen und doch: Jetzt, da es so ist, ist es überraschend. Zwei Dinge nehme ich bei mir wahr: Da ist zum einen so etwas wie Unmut: Ich bin im Urlaub, da hätte es doch schön bleiben können; wir wollten noch vieles unternehmen; das ist jetzt aber schade usw. Zum anderen spüre ich so etwas wie Melancholie: Mir ist bewusst, dass dieser „Bruch“ mehr ist, als eine <Tiefdruck-Wetterlage>. Ich ahne, dass später zwar noch Schönwettertage folgen können – der Hochsommer aber ist vorbei und wird erst in einen Spätsommer, dann in den Frühherbst hinüber gleiten. Zweifelsohne kann ich auch diese genießen und dennoch: Das Wetter führt mir erkennbar die Vergänglichkeit des Lebens vor Augen. Eine Erinnerung, die unbequem ist und dennoch wichtig.

Die Begrenztheit des Lebens macht Angst. Nicht nur mir – ich bin sehr davon überzeugt, dass wir alle sie kennen – zumindest bis zu einem gewissen Grad. Tun wir uns deshalb so schwer mit der Vergänglichkeit? Muss deshalb alles so sein und bleiben, wie es immer schon war? Brauchen wir das Unveränderliche zur Beruhigung? Und: Wenn wir das Bejahen, ist dann nicht die Fallhöhe groß, wenn uns die Vergänglichkeit vor Augen geführt wird? Wäre es dann nicht besser, sich der Endlichkeit zu stellen? Sie sich zu Eigen zu machen?

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So gesehen ist der „Wettersturz“ ein Wink für mich, mich immer wieder einmal mit der Endlichkeit zu beschäftigen. Habe ich den Mut, genauer hinzuschauen, entdecke ich die Vergänglichkeit in meinem Leben. Dann stelle ich fest, dass ich nicht mehr die bin, die ich noch vor zehn oder zwanzig Jahren war. Nein, ich bin noch nicht einmal mehr die, die ich vor drei Monaten noch war. Sicher: Äußerlich ist das kaum zu erkennen – vielleicht an der einen oder anderen Falte mehr. Aber im innen ist es durchaus so.

Ich habe Erfahrungen gemacht, die mich beeinflussen und prägen werden, wie frühere Erfahrungen das auch getan haben.

Ich habe mich wieder einmal von Illusionen über die Menschen und das Leben verabschiedet.

Ich kann akzeptieren, dass sich Beziehungen überlebt haben und ihre Zeit vorbei ist (was nicht bedeutet, dass sie damals schlecht gewesen wären; sie passen nur ins Heute nicht mehr).

Ich weiß, dass weniger Lebenszeit vor mir liegt als hinter mir.

Ich erkenne an, dass ich zwar immer noch unendlich viel Energie habe, aber längere Erholungsphasen brauche.

Ich spüre, dass es in mir Verschiebungen gibt: Solche, die ich gar nicht genau definieren kann, die dennoch stark zu spüren sind.

Ich weiß, dass mir heute andere Dinge wichtiger sind als früher.

Ich bin immer weniger bereit, um des lieben Friedens willen Dinge zu tun, die mir gegen den Strich gehen.

Ich spüre sehr stark, wie viel positiver ich in den letzten Jahren geworden bin.

All das ist auch aus dem Wissen um die Endlichkeit des Lebens entstanden. Das heißt nun aber gewiss nicht, dass ich nie mehr Unmut spüre, wenn sich die Vergänglichkeit mir wieder zeigt. Nein, es geht vielmehr darum, mich immer wieder mit dem Thema zu beschäftigen. Wenn ich das tue und mich dabei Stück für Stück mit der Vergänglichkeit aussöhne, dann kann ich mehr das genießen und schätzen, was jetzt gerade ist. Das ist der Weg dahin, das Leben als Geschenk zu betrachten und darüber Dankbarkeit zu empfinden.

 

Wie geht es Dir mit der Vergänglichkeit?
Wie gehst Du mit ihr um?
Welche Erkenntnisse erwachsen Dir daraus?

Foto: Erwin Grundler, Überlingen – Aufkirch

 

 

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