Wachsen

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Eine begonnene Socke. 5 Nadeln, 52 Maschen, ein Knäuel Wolle. Schlichte, grau-blaue Wolle. Zu allem passend. Die Socke ist gewachsen. Eine Masche neben der anderen. Eine Runde über der vorherigen. Gerade Linien von unten nach oben. Runde um Runde entstehen Schaft, Ferse, Fußteil. Nur die Spitze will noch fertiggestellt werden. Die Nadeln liegen locker in meiner Hand. Der Faden läuft weich durch meine Finger. Ich spüre ihn. Das Stricken geht mir leicht von der Hand. Fast geht es im Schlaf. Reden kann ich dabei mühelos. Und zuschauen, wie die Socke wächst ebenfalls.

„Wenn das Wachsen nur öfters so leicht zu beobachten wäre“, denke ich neben dem Stricken. Wie oft habe ich schon den Eindruck gehabt, dass sich nichts tut, sich nichts bewegt, nichts wächst, sich nichts verändert. Manchmal hadere ich dann. Ein anderes Mal zucke ich innerlich mit den Schultern. Ab und zu aber geschieht es, dass ich urplötzlich bemerke: Ja, es ist etwas gewachsen. Meine Haltung und meine Wahrnehmung sind anders geworden. Oder Dinge, mit denen ich mich bislang schwer getan habe, erledige ich jetzt mit links. Aus einer Idee wurde quasi über Nacht eine Geschichte oder ein Seminar.

Darauf bin ich stolz. Zuweilen gebe ich mir Zeit, zu reflektieren, was dazu geführt hat. Noch öfter aber nehme ich das Gewachsene kurzerhand an. Freue mich über die Entwicklung, die da, ganz im Verborgenen, geschieht. Beides hat Charme und beides gehört zu mir.


Und was denkst Du beim Stricken, Handarbeiten oder Nähen?
Wie ist das mit dem Wachsen bei Dir?

Foto: Erwin Grundler, Überlingen-Aufkirch
2 Kommentare
  1. annette
    annette sagte:

    ….oh was ein schönes bild, was mir sehr entgegenkommt….stricken ist meine ausdrucksmöglichkeit, mein ausgleich….meine sonstige arbeit hat wenig mit handarbeit zu tun…das wachsen geschieht so oft unbemerkt, erst im nachgang merke ich, dass ich mich verändert habe, dass ich gewachsen bin…..
    herzliche grüße
    annette

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  2. mutigerleben
    mutigerleben sagte:

    Liebe Annette,

    schön, Dich wieder zu lesen und so von Dir zu hören.
    Bilder sind für mich wichtige Symbole, die für so vieles stehen können und: sie werden verstanden. Es tut gut zu hören, dass das Stricken für Dich Ausgleich und Ausdruck zugleich ist. Gerade, wenn die sonstige Arbeit möglicherweise wenig Anlass bietet, von Dir selbst Ausdruck zu geben. Ich wünsche Dir, dass Du ausreichend Zeit findest zu stricken und dabei immer wieder zu einer guten Balance kommst.
    Ich denke, viele entdecken, so wie Du und ich, das Wachsen oft erst im Nachgang. Wie gut aber, dass wir es überhaupt entdecken.
    So wünsche ich uns allen, Augen, die nach innen sehen und Ohren, die nach innen hören, damit uns das Wachsen nicht entgeht.

    Herzliche Grüße
    Judith

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