Wort für Wort

Letzten Donnerstag war „Schreiben im Café“. <Wort für Wort> war das Thema, mit dem wir uns beschäftigt haben. Es war reizvoll, anregend, interessant. Das Kinderbuch „Die große Wörterfabrik“[1] bot uns den Einstieg ins Schreiben. Im Bilderbuch geht es darum, dass es ein Land gibt, in dem die Menschen wenig sprechen, weil sie die Wörter kaufen müssen – und Wörter sind teuer. Manchmal findet man Wörter im Müll oder bekommt welche im Schlussverkauf. Die sind aber oft leider nicht so besonders toll. Wie gehen Paul und Marie mit dieser Situation um?“

Die erste Schreibaufgabe war, sich zu überlegen: <Für welche Wörter würde ich Geld ausgeben?> Ich habe gemerkt, dass die Aufgabe, in 5 Minuten eine Liste mit 12-20 Wörtern zu schreiben, herausfordernd ist, denn sie lässt mir keinen großen Spielraum. Es hätte noch so viele andere wichtige Wörter gegeben. Und: Es brauchte eine Entscheidung von mir. Genau jetzt brauchte es diese Entscheidung. So war ich gefordert, genau hinzuhören, welche Worte jetzt ans Licht wollten.

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 Die Vorstellung, im Land der großen Wörterfabrik zu leben, war und ist für mich furchtbar. Ich habe aufs Neue entdeckt, wie froh ich darüber bin, einen großen Wortschatz zu haben und – je nach Situation – eine Auswahl an Worten treffen zu können. Mich unterhalten zu können, sprechen zu können, schreiben zu können, mit Worten umgehen zu können – das alles ist für mich unverzichtbar. Ein Geschenk.

Und doch: Es gab auch so etwas wie eine „Unterströmung“. Immer wieder überlege ich seither, wie würde ich mit dieser Klientin, diesem Kind, dieser Kollegin, dieser Traurigen, dieser Fröhlichen, dieser Teilnehmerin umgehen, wenn ich keine Worte zur Verfügung hätte – oder nur <billige> Worte, die sonst keiner will?

Das ist nichts Neues. Ich kenne seit jeher Zeiten, in denen ich weiß, hier gibt es keine Worte. In denen es mir die Sprache verschlägt. In denen ich spüre: Jetzt gerade kann der andere/die andere, gar nicht hören, was ich sage.

Später, zu Hause, schaute ich mir das Buch – vor allem Marie und Paul – nochmals an. Ich überlegte mir:

  • Wenn ich nur wenige und schöne, aber unpassende Worte zur Verfügung hätte: Wie würde ich sagen, was ich meine, so dass die andere mich dennoch versteht?
  • Reden wir nicht manchmal zu viel? Wäre es manchmal besser, auf Wörter zu verzichten und mehr das Gefühl sprechen zu lassen? (Wie auch immer das dann aussieht).
  • Würde es weniger Missverständnisse geben, wenn wir weniger redeten und stattdessen mehr fühlen und wahrnehmen würden, was wir sehen?

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Ihr seht: Es handelt sich um ein Thema, das nicht einfach erledigt ist, wenn ich das Café verlasse und die Ausarbeitung abhefte. Nein, es geht weiter und das ist auch gut so.

Für mich selbst fand ich auch noch etwas anderes fantastisch: Meine Terminplanung hat einen Vorlauf von einigen Monaten. Das heißt, die Themen der letzten Monate „Schreiben im Café“ habe ich letztes Jahr im Oktober/November geplant. Damals habe ich keinen Gedanken an die Ausarbeitung verschwendet.

Als ich mich im Mai an die Ausarbeitung dieser Einheit machte, hatte ich gerade die Überschrift geschrieben – da stand plötzlich dieses Buch vor meinem inneren Auge. Ich bin gegangen und habe es aus dem Regal geholt und  gelesen. Danach konnte ich die Ausarbeitung fertigstellen, ohne noch einmal darüber nachzudenken – es war einfach alles sofort da. Das bestärkt mein Vertrauen. Ich weiß, ich kann mich auf mich verlassen. Dann, wenn es notwendig ist, habe ich die Ideen, die ich brauche. Das ist ein gutes Gefühl.

Hier kommt noch ein Gedicht aus lauter einsilbigen Worten; unser Einstieg ins Thema.

Ein Wort

Wort
es
trifft
den Kopf
das Herz
MICH
schenkt
mir
Kraft
und Mut.

(© Judith, 22.06.2017)



Welche Wörter sind Dir so wichtig, dass Du sie kaufen würdest
(wenn Du könntest?) Schreibe in 5 Minuten 15 Wörter auf.
Weshalb sind Dir – in diesem Moment – genau diese Wörter wichtig?



Fotos: Erwin Grundler, Überlingen - Aufkirch

 

[1] De Lestrade, Agnès; Docampo, Valeria: „Die große Wörterfabrik“ mixtvision Verlag, München 2010, 4. Auflage 2011

2 Kommentare
  1. Elvira
    Elvira sagte:

    Liebe Judith,
    danke für die Wörtergeschichte – ein Impuls zum Nachdenken!

    Worte wandern weit
    wirbeln am Wörterhimmel
    wirken wundersam

    Antworten
    • mutigerleben
      mutigerleben sagte:

      Liebe Elvira,
      Danke für Deine Rückmeldung. Schön, dass Dich diese Gedanken zum Nachdenken anregen.
      Dein Haiku berührt mich sehr. Besonders gut gefällt mir der Wörterhimmel, den Begriff nehme ich für mich mit. Vielleicht entsteht ja bald ein Gedicht oder eine Geschichte dazu.
      Lass es Dir gut gehen und seid herzlich gegrüßt
      Judith

      Antworten

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