Wort zum Sonntag: Scheitern – vom hinfallen, liegenbleiben, wieder aufstehen

 
Ich glaube, niemand scheitert gern – und doch würden vermutlich viele Menschen sagen, dass sie schon gescheitert sind.
Ist das tatsächlich die Wahrheit? Ich bin mir da nicht sicher. Natürlich gibt es Vorhaben und Pläne, die nicht aufgehen. Und ja, ein Geschäft an die „Wand zu fahren“ oder eine Prüfung, die nicht mehr wiederholbar zu versemmeln, das ist tragisch.

Ich frage mich aber tatsächlich, ob das <scheitern> ist. Schaue ich mir die Bedeutung von „scheitern“ an, dann ist damit gemeint, <ein angestrebtes Ziel zu verfehlen>.
Wenn ich eine Prüfung nicht bestehe, habe ich das angestrebte Ziel nicht erreicht. Insofern stimmt es schon, dass ich gescheitert bin. Und ja, das kann passieren. Das ist schwer, hin und wieder stellt es auch die Weichen für mein Leben komplett neu. Da darf ich leiden, wütend, traurig, enttäuscht sein. An mir zweifeln, ja, auch das. Ich darf mich so fühlen, als ob damit mein Leben enden würde. Als ob nichts mehr käme.

Und trotzdem: Enthält das Wort „scheitern“ nicht viel mehr, als nur ein Ziel nicht zu erreichen?
Für mich schwingt in diesem Begriff oft auch ein anderes Wort mit: VERSAGEN heißt es. Gern werden Menschen, die gescheitert sind, demnach als Versagerinnen und Versager tituliert – und manchmal wird ihnen unterstellt, sich einfach nicht genügend angestrengt zu haben. Dabei werden vier Dinge leicht übersehen:

  1. Kein Mensch ist perfekt – und das ist auch gut so.
  2. Nicht immer liegt es in unserer Hand, ob unsere Pläne, Ideen, Projekte, Vorhaben aufgehen oder nicht.
  3. Versagen und scheitern sind Themen, die zum Leben gehören, denn das Leben ist nicht planbar (wie uns dieses Jahr deutlich vor Augen geführt hat).
  4. Ist es richtig, wenn ein Mensch auf sein Scheitern reduziert wird? Ist sie/er nicht mehr als das Scheitern? Gab es nicht vorher vieles, das gelungen war? Wird es nicht auch wieder gelungenes geben?

Woher also kommt sie, die Angst vor dem Scheitern, vor dem Versagen? Durch Erziehung und Prägung? Gesellschaftliche Ansprüche? Allmachtsfantasien? Ich gehe davon aus, dass es von allem etwas ist – möglicherweise in unterschiedlicher Gewichtung.

Das wichtigste aber ist die Frage, wie ich mit dem Scheitern umgehe. Mit dem eigenen und dem der anderen. Kann ich dennoch liebevoll mit mir selbst (und den anderen) sein? Kann ich sehen, was trotzdem gut ist? Kann ich mir und ihnen das Selbstvertrauen erhalten? Und kann ich Zuversicht und Hoffnung bewahren?

Mir fiel beim Nachdenken und beim Schreiben die Erzählung über den Gang der Jünger nach Emmaus ein. Sie erzählten sich – und dem, der sich zu ihnen gesellte, vom Scheitern. Von Angst und von Schrecken. Und von der Hoffnungslosigkeit die drohte, sich in ihnen auszubreiten.
Jesus ließ sie reden – und er hörte zu. Er nahm sie ernst. Nahm sie und ihre Sorgen wahr – so wird es erzählt. Und er brach ihnen das Brot.

Wem breche ich das Brot? Wer bricht mir das Brot?

 

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Wie denkst Du über das Scheitern?

Foto: © Erwin Grundler, Überlingen

 

Bei Alexandra gibt es seit 1. September eine „Philosophie Challenge“. Manchmal werde ich da sicher mitmachen. Die Frage der Woche lautete: Was ist schlimmer – zu scheitern oder es nie versucht zu haben?  In meinem Beitrag habe ich mich auf das Scheitern beschränkt.
Hier https://gedankenfluege.ch/was-ist-schlimmer-scheitern-oder-es-nie-versucht-zu-haben/ kommst Du zu Alexandra.

 

2 Kommentare
  1. Anja B.
    Anja B. sagte:

    Liebe Judith,
    besser hätte ich es nicht sagen können mit dem Scheitern. Stimmt, was genau ist eigentlich das Scheitern? Was meint man damit?. Setzt ein SCheitern nicht immer voraus, es erst mal zu versuchen? Kann man auch scheitern, ohne es versucht zu haben? Ich denke ,beides gehört zusammen und doch ist es immer für sich.
    Danke für die reichen Worte.
    Liebe Grüße
    ANja

    Antworten
    • mutigerleben
      mutigerleben sagte:

      Liebe Anja,
      vielen, vielen Dank für deine Rückmeldung. Das freut mich, dass es dir aus der Seele spricht.
      Und klar: Scheitern kann ich nur, wenn ich etwas versucht habe.
      Liebe Grüße
      Judith

      Antworten

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