#Writing Friday: Als die Uhren rückwärts liefen…

|Werbung wegen Namensnennung und Verlinkung, unbezahlt|

 

Die Uhren liefen rückwärts, als Solange am Morgen aufwachte. Sie rieb sich den Schlaf aus den Augen und hielt sich den Kopf. Schlich in die Küche. Zog die Schublade neben dem Herd heraus. Griff sich zwei Alka Seltzer und löste sie auf. In einem Zug trank sie das Glas aus. „Hoffentlich wird es gleich besser. Wieso habe ich mich nur so abgeschossen gestern Abend?“

Solange ging ins Wohnzimmer. Ließ sich ins Sofa plumpsen. Bilder tauchten auf. Der Abend an der Bar. Der Streit mit ihrem Freund, der zur 5. Trennung in ebenso vielen Monaten führte. Der Ärger über ihre Mutter, die zum 157. Mal wissen wollte, wann Solange endlich heiraten und Kinder bekommen würde. Dazu der Anschiss ihres Chefs, der sie morgens in deutlichen Worten darauf hingewiesen hatte, dass er zum letzten Mal ein Auge zugedrückt hatte. Das Gesicht der Kollegin tauchte vor ihrem inneren Auge auf. Sie sah ihr hämisches Grinsen und hörte ihr späteres „Na, Hohlbirne“ wieder und wieder vor sich. Solange sieht auch die Hausmeisterin, die schweigend auf das Schild „Kehrwoche“ zeigt. Die Lippen zu einem schmalen, blutleeren Strich zusammengepresst steht sie Solange im Weg. „Das ging den ganzen Tag so. Es hat schon damit begonnen, dass ich mir morgens den Groß-Zeh an der Kommode angeschlagen habe“, seufzt sie.
Prompt fing der Zeh an zu pochen.

Solange sah zur Uhr. Noch immer liegen die Zeiger rückwärts im Kreis. Genau wie die Bilder vom gestrigen Tag. „Oh, Mann, ich will meine Ruhe haben, statt ständig wieder an all die Plagen und Missgeschicke von gestern zu denken.“

Sie greift zum Handy. Ruft ihre Freundin an. „Wie kann ich die Uhr dazu bringen, wieder richtig zu gehen?“, fällt sie mit der Tür ins Haus.
„Langsam, langsam, Solange. Erzähl mir in Ruhe, was los ist.“
Und Solange erzählt. „Sag mir, wie kann ich die Uhren wieder richtig laufen lassen?“, fragt sie noch einmal.
„Hm“. Ihre Freundin schweigt kurz. „Vielleicht überlegst du mal, was gestern alles in Ordnung war, gut gelaufen ist, super geklappt hat, wo du Freude hattest. Denn ganz sicher gab es doch da auch vieles. Ich glaube, es wäre einen Versuch wert!“
„Wenn Du meinst. Danke!“, antwortete Solange und verabschiedet sich. Sie steht auf. Geht zum Fenster. Schaut hinaus.

„Was war an meinem Tag gestern alles gut?“

 

DSC_8468

 

Hier kommt ein Beitrag zum #WRITING FRIDAY von https://readbooksandfallinlove.com/category/meine-wochenaktionen/writing-friday/, den ich bei  https://kathakritzelt.com/ entdeckt habe. Heute habe ich mich dafür entschieden: Schreibe eine Geschichte, die mit dem Satz “Die Uhren liefen rückwärts, als…” beginnt.

 

Wie würde Deine Geschiche lauten?

Foto: © Erwin Grundler, Überlingen

6 Kommentare
    • mutigerleben
      mutigerleben sagte:

      Danke, liebe Katharina, für dein Kompliment.
      Zunächst dachte ich auch „Oh Gott, was soll mir dazu einfallen?“, aber dann lief es super.
      Und dann dachte ich: Solche/ähnliche Tage kennen wir doch alle irgendwie …
      Liebe Grüße
      Judith

      Antworten
    • mutigerleben
      mutigerleben sagte:

      Ja, liebe Blaupause, vor allem auch, weil das Gehirn die Dinge, die es regelmäßig tut auch übt und sie so immer stärker werden.
      Das Schöne: das funktioniert in beiden Richtungen. Wenn ich mich oft freue, wird auch das immer stärker.
      Hab es fein.
      Liebe Grüße
      Judith

      Antworten
  1. lyrikfeder
    lyrikfeder sagte:

    Eine schöne Moral der Geschicht´, auch wenns ins solchen Momenten sicherlich nicht ganz so leichtfällt etwas Gutes unter dem Schlechten zu finden. Gut geschrieben überdies. Hat mir gefallen :- )

    Antworten
    • mutigerleben
      mutigerleben sagte:

      Da hast du leider recht. Das ist ja die Tragik: Wenn Menschen gerade in der Negativhaltung sind, gibt es leider oft keinen Kontakt mehr zum dem, was es an Positivem auch noch gibt. Und ich meine nicht, so zu tun, als wäre alles toll und nichts schwierig. Nein, ich meine, dass wir in guten Zeiten um das Positive wissen und uns darin üben, es zu sehen. Dann wissen wir in schlechten Zeiten zumindest auch, dass es das andere irgendwo noch gibt.
      Danke für das Kompliment bezüglich des Schreibens.
      Sonnige Grüße zu dir
      Judith
      Sonnige Grüße zu dir
      Judith

      Antworten

Hinterlasse einen Kommentar

An der Diskussion beteiligen?
Hinterlasse uns deinen Kommentar!

Schreibe einen Kommentar zu blaupause7 Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert