#Writing Friday: Blutige Hände

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Hier kommt ein neuer Beitrag zum #WRITING FRIDAY von https://readbooksandfallinlove.com/category/meine-wochenaktionen/writing-friday/, den ich bei  https://kathakritzelt.com/ entdeckt habe.
Heute lautet die Schreibaufgabe für mich: Schreibe eine Geschichte, die mit „Er wischte sich das Blut von den Händen und…“ beginnt.

 

Er wischte sich das Blut von den Händen und hängte sich die große, schwarze Reisetasche über die Schulter. Schaute sich um. „Geschafft“, jubelte er leise und stieß die Faust in den dämmrigen Sommerabendhimmel. Wochenlang hatte er geplant. Akribisch Möglichkeit um Möglichkeit durchdacht und verworfen. Er hatte alle möglichen Szenarien durchgespielt – und manch unmögliche auch. Seine Pläne hatten zuletzt all seine Gedanken beherrscht. Und jetzt. Endlich. Heute, an diesem heißen Sommerabend, konnte er sie umsetzen! Viel länger hätte er es auch nicht mehr ausgehalten.

Noch einmal wischte er die Hände an seinen schwarzen Jeans ab. Dann griff er zu einem riesigen Buchenast, den er vorhin hingerichtet hatte. So schnell das mit der schweren Tasche und dem sperrigen Ast ging, lief er in Richtung Waldrand. Er zog den Ast hinter sich her. Verwischte seine Spuren auf dem Waldboden. „Jetzt kommt es darauf an, dass ich unbemerkt verschwinden kann. Es darf nichts zu sehen sein, gar nichts! Nicht die winzigste Spur darf bleiben“, murmelte er leise vor sich hin.

Der Weg zog sich. So lange war er ihm vorhin gar nicht vorgekommen. Die Muskeln im rechten Oberarm begannen zu brennen. Das Gewicht der Reisetasche zog im Nacken. Schweiß lief ihm über den Rücken. Brannte in den Augen. Schmeckte salzig auf den Lippen. „Bloß nicht schlappmachen. Vorwärts. Geh, gleich hast du es geschafft“, trieb er sich an. Er lief weiter. So leise, wie es ihm möglich war. Das war nicht einfach auf dem trockenen Boden.

Plötzlich knackte es. Laut. Irgendwo rechts vorne. Noch einmal. Noch lauter dieses Mal. Er erschrak. Blieb stehen. Stocksteif. „Verdammter Scheiß“, fluchte er leise. „Bloß jetzt nicht erwischt werden. Alles hängt davon, dass ich ungesehen hier verschwinden kann“. Er blieb noch einen Moment stehen. Stumm. Wie angefroren. Hob das Gesicht. Witterte wie ein Tier. Er wartete, bis alles still war. „Weg hier, nur weg!“ Er nahm Geschwindigkeit auf. Kam ins Stolpern. Konnte sich gerade noch fangen. Lief weiter.
Da. Schon wieder das Knacken. Lauter als vorher und näher. Viel näher. Er hörte es deutlich. Da war etwas unterwegs. Die Dämmerung ging. Es wurde Nacht. Er sah kaum noch etwas. Der Halbmond warf schmale, silberne Lichtstreifen auf den Boden. Er rannte. So schnell er konnte. Keuchte vor Anstrengung. Bekam kaum noch Luft. Da. Schon wieder. Kein Knacken mehr. Der Lärm war nun ganz nah. Er schauderte. Es krachte im Unterholz. Er blieb stehen. Erstarrt zur Salzsäule. „Oh, mein Gott“, schnaufte er. Drei Schatten brachen aus dem Unterholz. Ein großer, zwei kleine. Direkt vor seinen Füßen querten sie den Weg. Verschwanden im Wald. Er hörte seinen Puls in den Ohren dröhnen. Spürte, wie das schwarze Hemd ihm nass am Oberkörper klebte. Die Hand, die den Ast hielt, zitterte.

Mit allerletzter Kraft schaffte er die restlichen Meter. Dort. Dort drüben, über der Straße, unter dicht hängendem Gebüsch, stand sein Auto. Er ließ den Ast fallen. Rannte über die Straße. Schloss den Kofferraum auf. Warf die Tasche hinein. Schlug den Deckel zu. Hechtete zur Fahrertür. Schloss auf. Ließ sich auf den Sitz fallen. Legte die Stirn aufs Lenkrad. Im schwachen Licht des Mondes sah er auf seine Uhr. 22.03 Uhr. Jeden Moment würde es losgehen.
„Uff, das war knapp“, stöhnte er und rollte die verspannten Schultern.
Im Rückspiegel tauchte das erste Blaulicht auf. Dann noch eines, noch eines, noch eines. Martinshörner dröhnten durch die Nacht. Polizei, Feuerwehr, Technisches Hilfswerk und das Rote Kreuz – alle kamen angerast. Der Suchscheinwerfer eines Hubschraubers erhellte den Wald drüben. Die Übung war angelaufen. Während ein Teil der Retter nach dreißig Passagieren eines abgestürzten Flugzeuges suchen sollten, hatten die anderen in aller Eile Zelte aufzubauen, in denen die Verletzten betreut und versorgt werden konnten.
Erleichterung durchflutete ihn. Jetzt konnten die anderen ihre Arbeit tun. Die Verletzungen, die er mit Hilfe von Modelliermasse, Knochensplittern, Glasscherben, Ästen und Rinderblut täuschend echt vorbereitet hatte, würden nun von anderen versorgt werden müssen.

Er ließ den Motor an. Fuhr langsam los. Warf einen letzten Blick zurück zum Wald. Er wollte nur noch nach Hause.

 

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Inspiriert hat mich zu dieser Geschichte eine großangelegte Übung, die vor mehreren Jahrzehnten stattfand. Ich war damals im Jugendrotkreuz und durfte eine „Verletze“ spielen. Es war tatsächlich ein Sommerabend und die Übungsannahme war ein Flugzeugabsturz. Die „Verletzten“ lagen in einem Waldstück an einem Weiher. Und die blutenden Wunden wurden damals mit Rinderblut hergestellt.
Ich hatte bewusstlos zu sein – das heißt, ich musste bewegungslos liegen bleiben. Das war eine Herausforderung, die ich sicher nie vergesse. Ich fasse mal zusammen: Sommerabend, zwischen Wald und See, Rinderblut am Körper – ein wahres Festmahl für Schnaken. Bei ca. 107 Stichen habe ich aufgehört zu zählen …

 

Und Gruseln ist so gar nicht meins – mal sehen, was mir noch einfällt…

 

Für Elizzy ist der Oktober der "Grusel-Monat", dementsprechend
sind dieses Mal ihre Themen.

Wenn Du Dich gern gruselst: Was fiele Dir ein?

Geschichte: © Judith Manok-Grundler, Überlingen-Aufkirch
Foto: Erwin Grundler, Überlingen-Aufkirch
14 Kommentare
  1. Buchperlenblog
    Buchperlenblog sagte:

    Guten Morgen!
    Ganz toll, was du aus dieser Ausgabe gemacht hast! Schön, wie du auch die anfängliche Intention so umgekehrt hast :) Und Respekt für deine Rolle bei dieser realen Übung!

    Liebe Grüße!
    Gabriela

    Antworten
  2. mutigerleben
    mutigerleben sagte:

    Vielen Dank, liebe Gabriela.
    Freue mich, dass es dir gefällt. Da Gruseln so gar nicht meins ist, hatte ich erst befürchtet, dass ich diesen Monat aussetzen muss. Dann war ich überrascht, wie schnell diese Idee aufgetaucht ist. Das Schreiben fiel mir leicht.
    Liebe Grüße
    Judith

    Antworten
  3. Katharina
    Katharina sagte:

    Super spannende unheimliche Geschichte mit echt unerwartetem Twist. Dass da noch was kommt habe ich erwartet, aber so nicht. Ich wusste gar nicht, dass es so groß angelegte Aktionen gibt, dabei kenne ich einige Polizisten und Sanitäter. Klingt irgendwie spannend.
    Grüße, Katharina

    Antworten
    • mutigerleben
      mutigerleben sagte:

      Liebe Katharina,
      Danke dir. Freut mich, dass ich euch überraschen konnte.
      Ob es heute noch solche Aktionen gibt? Keine Ahnung. Und auch damals waren die, meines Wissens, nicht regelmäßig. Aber ich erinnere mich daran (abgesehen von den Schnaken), dass es anstrengend war, eine ganze Weile „bewusstlos“ rumzuliegen.
      Herzliche Grüße
      Judith

      Antworten
  4. Rina
    Rina sagte:

    Cool – ich dachte schon an einen ausgefuchsten Mord – hihihi…
    Rinderblut und Sommernächte – das hat nicht nur die Stechmücken angelockt sondern bestimmt auch irgendwann eklig gerochen?

    Antworten
  5. blaupause7
    blaupause7 sagte:

    Gerade, weil jeder an Mord und Totschlag oder an Horrorszenarien denkt, hat mir gefallen, dass Du das Thema ganz anders behandelt hast. Sehr schön beschrieben. So eine Vorbereitung ist bestimmt aufwendig.

    Antworten
  6. mutigerleben
    mutigerleben sagte:

    Ich hätte Mord auch nicht beschreiben können…
    Und ich war überrascht, wie leicht dieses Schreiben letztlich ging.
    Ich geh davon aus, dass das sehr, sehr aufwändig war. Kann mich aber nicht mehr daran erinnern, ob wir alle gerichtet und dann platziert wurden oder wie das genau war.
    Ich komme später bei euch allen noch vorbei, jetzt dürfen erst noch zwei Kinder ins Bett.
    Liebe Grüße
    Judith

    Antworten
  7. Margareta
    Margareta sagte:

    Liebe Judith, du hast es geschafft, die Spannung, gemischt mit Grusel und vielen Phantasien weckend, hat sich direkt in meinem Nacken spürbar gemacht. Eine tolle Auflösung, deine eigenen Erfahrungungen finde ich auch gruselig, zum Glück gibts heute Kunstblut!
    LG Margareta

    Antworten
    • mutigerleben
      mutigerleben sagte:

      Liebe Margareta,
      danke dir für deine Rückmeldung. Schön, wenn es mit dem Gruseln funktioniert hat. Hoffe, dein Nacken hat sich wieder entspannt.
      Ja, über das Kunstblut bin ich auch froh.
      Dir einen schönen Abend und liebe Grüße
      Judith

      Antworten

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