#Writing Friday: Erinnerungen

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Hier kommt ein neuer Beitrag zum #WRITING FRIDAY von https://readbooksandfallinlove.com/category/meine-wochenaktionen/writing-friday/, den ich bei  https://kathakritzelt.com/ entdeckt habe. Heute lautet die Schreibaufgabe für mich: “Schreibe eine Geschichte, die mit dem Satz: <Der Regen brannte auf ihrer Haut, weil…“ beginnt.

 

Der Regen brannte auf ihrer Haut. Claudia erschrak. Sie wollte weglaufen, aber die Muskeln versagten ihr den Dienst. So blieb sie liegen. Auf der sonnenwarmen Wiese zwischen Gräsern, Klee und Bienen. Sie sah an sich hinunter. Verfolgte die Spuren des Regens auf ihrer Haut. Claudia drehte den Kopf. Die Bienen flogen, als ob nichts wäre. Gräser wiegten sich in der Sommervollen Luft. Ein paar Gräser strichen über ihren Arm. Sie waren trocken. „Seltsam!“, ging es Claudia durch den Kopf. Sie schaute hinauf zum Himmel. Der war blau. Sommerblau. Himmelblau. Klar und wolkenlos. Woher also kam der Regen? Sie runzelte die Stirn. Dachte angestrengt nach. Suchte nach Erklärungen. Erfolglos. Sie wurde unruhiger – und der Regen stärker.

Sie blieb liegen. Auf ihrer Lieblingswiese. Auf der Sommerwiese, die für sie der Inbegriff von Kindheit war. Und auf der sie doch so viele Jahre nicht mehr gewesen war. Zu schmerzhaft waren die Erinnerungen gewesen. Plötzlich war sie wieder da – die Angst, die sie jahrelang fest im Griff gehabt hatte. Es war, als ob sie jeden Schlag und jeden Tritt wieder neu bekäme.
Sie sah ihn vor sich. Sein Gesicht blaurot angelaufen. In den geweiteten Augen die Feuer der Wut. Den Mund zum Schrei aufgerissen. Sie roch den stinkenden Bier Atem und den Schweiß, der sein Hemd durchnässte. Und erinnerte sich an jedes Wort und jede seiner Verwünschungen.

Der Regen brannte auf ihrer Haut – stärker und stärker. Das Brennen riss sie aus ihren Erinnerungen. „Verdammt, Claudia, du tust es schon wieder!“, schimpfte sie mit sich. Mühsam kämpfte sie sich hoch. Stellte sich hin. Schaute sich um. „Das ist vorbei, Claudia. Ein für alle Mal vorbei. Das weißt du doch! Du bist nicht mehr die hilflose Kleine von damals. Du bist längst eine erwachsene Frau, die sich wehren kann. Und – noch viel wichtiger – die sich auch wehren darf. Er kann dich nur noch verletzen, wenn du es zulässt. Wenn du ihm Macht über dich gibst. Immer noch. Obwohl er längst nicht mehr lebt!“

Claudia schwieg. Wischte sich den Regen aus dem Gesicht. „Ich habe auch schöne Erinnerungen. Wohltuende. Beglückende. Tröstende Erinnerungen. Ich erinnere mich an die Stunden, in denen ich hier gespielt habe. Voller Freude. Selbstvergessen. Zufrieden. Ich war glücklich in meiner kleinen Welt. Ich rieche noch heute den Duft von Kräutern und Blumen. Weiß noch, wie ich damals mit Martin dort hinten im Gebüsch Hütten gebaut habe. Und wie wir Vater, Mutter, Kind spielten. Ich war mit Mama Beeren und Pilze suchen. Ich höre ihre Stimme beim Vorlesen und spüre ihren Arm um meine Schultern. Erinnere mich an ungezählte Kochstunden, Tautreten vor dem Frühstück, an den Duft von Kartoffelfeuern und den Geschmack von warmem Holundersaftpunsch. Ich sehe mich am Fenster stehen, zuschauen, wie der Schnee fällt und spüre, wie sehr ich mich drinnen geborgen fühlte – trotz allem.“

Claudia hielt inne. Ihr fiel auf, dass viele dieser Dinge auch heute noch zu ihrem Alltag gehören. Sie spürte, wie sich Zufriedenheit in ihr ausbreitete. Wohlig-warme Zufriedenheit.
„Ich entscheide über mein Leben – und dir, dir gebe ich keinen Raum mehr. Ich habe gelernt, dennoch zu leben. Wirklich zu leben!“

Abrupt hörte der Regen auf. Das waren nur noch Wärme, strahlendes Blau und eine Kindheitssommerwiese.

© Judith, 10. August 2019

 

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Wie würde Deine Geschichte zu diesem Satz lauten?



Foto: Erwin Grundler, Überlingen-Aufkirch
8 Kommentare
  1. Katharina
    Katharina sagte:

    Brennender Regen ist ein spannendes Bild in dem Kontext. Einerseits dass es eine Naturgewalt ist und man sich mit ihr arrangieren muss, und andererseits, weil es auch bedeutet, dass man sich unterstellen kann. Toller Text.
    Grüße, Katharina

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  2. mutigerleben
    mutigerleben sagte:

    Liebe Katharina,

    schön, von dir zu lesen. Stimmt, das Bild vom „brennenden Regen auf der Haut“ ist für diese Erzählung wirklich spannend.
    Ich fand überhaupt diesen Anfangssatz verlockend, weil mir so unterschiedliche Bilder und Ideen dazu kamen. Natürlich die offensichtliche: Irgendetwas mit Feuer…
    Die beiden nächsten Ideen weiß ich schon gar nicht mehr; dann kam die Idee, dass der Regen brannte, weil er aus Zitronensaft ist. Mit dieser Idee habe ich mich dann ans Papier gesetzt – und herausgekommen ist der obige Text, der nochmals eine andere Grundidee hat.

    Danke dir und einen schönen Freitag,
    Judith

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  3. Rina
    Rina sagte:

    Sehr berührend. Es ist schwer mit diesem Satz etwas anderes als ein Endzeitszenario zu sehen.
    Eigentlich ist es bei dir ja fast auch eins – eines in der Seele – aber gut, dass sich deine Protagonistin herausgezogen hat.

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