#Writing Friday: Ihr roter Handschuh

Als Bernd in sein Hotelzimmer zurückkehrte, war sie nicht mehr da. Trotzdem rief er nach ihr. Bekam keine Antwort. Der Zorn, der ihn vorhin gepackt hatte und ihn wutentbrannt weglaufen ließ, machte dem Schock Platz. Einerlei welche Probleme sie miteinander hatten – sie würde nie gehen, ohne ein Zeichen zu hinterlassen, dessen war er sich ganz sicher.

Hastig verließ er das Zimmer. Keine Zeit, auf den Aufzug zu warten. Immer zwei Stufen auf einmal sprang er die Treppen hinab. Stockwerk für Stockwerk. Blind. Bloß getrieben vom Wunsch, sie zu finden. Alles wäre dann gut, alles vergessen, alles verziehen.

Sie war nirgends. Nicht im Foyer, nicht im Speisesaal, nicht an der Bar. Er rannte los. Die Auffahrt hinunter. Über die Straße. Durch enge Altstadtgassen hetzte er, blieb einzig stehen, um sich für eine Richtung zu entscheiden. Noch ein paar Gassen, dann eine Treppe und er käme auf den Markt. Dort liefen alle Wege zusammen. Trafen sich, trennten sich. Vielleicht war dort ein Hinweis. Er musste eine Spur finden. Sie wiederhaben. Bei ihr sein. Er wusste, sie wartete sehnsüchtig auf ihn.

Da, ein Zeichen. Auf der zweitletzten Treppenstufe lag ein Handschuh. Ihrer. Ganz ohne Zweifel. Ihr roter Lederhandschuh. Letztes Geschenk ihrer früh verstorbenen Mutter. Sie hielt das Paar in Ehren. Nie würde sie es anziehen. Der Platz war in der Handtasche. Ganz egal, welche Tasche sie gerade benutzte, die Handschuhe waren immer darin. Jetzt lag einer hier. Auf der Treppe. Verloren. Ihr Schatz. Er hob ihn auf. Roch an ihm. Roch sie.
Was wollte der Handschuh ihm sagen?
Ohne jeden Zweifel wusste er, dass sie den anderen Handschuh festgehalten hatte. Seine Gedanken überschlugen sich. Die Panik schlug ihre Zähne in ihn; biss, packte, krallte sich fest. Der Atem stockte. Das Herz, es schlug, als wolle es sich heraussprengen aus ihm.

„Ruhig!“ mahnte er sich, „ruhig, sonst hast du keine Chance, sie zu finden.“ Er betrachtete den roten Handschuh. Rot wie Blut. Er erinnerte sich, wie sie sich einmal miteinander über Farben unterhalten hatten. „Rot“, sagte sie damals, „symbolisiert für mich zwei Dinge: Liebe und Gefahr!“ Befand sie sich in Gefahr? Wollte sie ihm das mitteilen? Kalt überlief es ihn. Er schauderte. Erinnerte sich an ihren Streit. Seine Eifersucht, die ihn Mordpläne schmieden ließ. Aber sie wusste doch, dass er das nicht ernst gemeint hatte. War sie mit dem Anderen weg? Das konnte nicht sein. Unmöglich, sie konnte ihn nicht verlassen. Sie war sein.
Die Zeit verrann. Plötzlich ein Geistesblitz. Der Leuchtturm. Er stürzte zum Strand, raste zum Leuchtturm. Atemlos kam er an. Die Türe war unverschlossen, ächzte beim Öffnen. Gleich würde er bei ihr sein. Er hastete die Stufen hinauf, sah Spinnenweben von der Decke hängen. Furcht und Hoffnung hielten sich die Waage. Immer weiter eilte er nach oben. Mit jeder Stufe näher zu ihr. Er rief nach ihr. Seine Stimme klang schaurig im Turm.
Endlich war er oben angekommen. Trat ein. Er sah sie sofort. Sie stand am Fenster. Drehte sich zu ihm um. Jäh hielt er inne, als sich aus dem Dunkel hinter ihr ein Schatten löste. Der Andere. Sie standen sich gegenüber, maßen sich.

„Du bist Mein!“, schrie er. Sie antwortete nicht. Griff in ihre Handtasche. Zog die Waffe heraus. Nahm ihn ins Visier.
„Nein, tu’s nicht!“ Er warf ihr den Handschuh zu. Drehte sich um. Rannte los. Auf der vierten Stufe stolperte er. Der Weg nach unten war lang, aber das spürte er nicht mehr.

 

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Wie Du weißt, sind Grusel- und Schauergeschichten nicht so meins. Diese Geschichte ist in einer meiner Schreibausbildungen entstanden – daran erinnerte ich mich und so habe ich sie jetzt überarbeitet und dabei auch die fünf Wörter von Elizzy eingefügt.

 

Wie würdest Du die Wörter unterbringen?

Bislang habe ich kein passendes Foto gefunden – ich werde bei Erwin noch im Archiv stöbern gehen.

 

Hier kommt ein Beitrag zum #WRITING FRIDAY von https://readbooksandfallinlove.com/2020/09/29/writingfriday-oktober-2020-die-schreibaufgaben/ den ich bei  https://kathakritzelt.com/ entdeckt habe. Heute habe ich mich dafür entschieden: Schreibe eine Geschichte und flechte darin folgende Wörter mit ein:  Blut, Mordpläne, Spinnenweben, schaurig, Schock

6 Kommentare
  1. Nachtwandlerin
    Nachtwandlerin sagte:

    Huh, also ich finde, diese Gruselgeschichte ist dir aber ausgesprochen gut gelungen! Sie hat mir richtig die Unruhe und dieses „Gehetzte“ vermittelt, was Bernd in deiner Geschichte empfindet. Und dann das Ende dazu: sehr guter Grusel!

    Liebe Grüße
    Alina

    Antworten

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