#WritingFriday: Zeitreise

Wie jeden Morgen gehe ich zur Tür hinaus, um nach der Post zu schauen. Ein Ritual, tausendfach geübt. Doch heute war alles anders. Ich öffnete die Türe und dann fiel ich und fiel und fiel …

Ich wachte auf, weil ich husten musste. Als ich fertig war, schaute ich mich um. Sand, auf dem Boden. Sand, der durch die Luft wirbelte. Es war glühend heiß und ich hatte Durst.
In der Ferne sah ich eine Ansammlung kleiner Hütten. Es sah aus, als ob dort Menschen unterwegs wären. Ich ging darauf zu. Langsam. Der Sand kam mir nicht freundlich entgegen, er machte meine Schritte schwer. Alsbald begegnete mir ein Mädchen. Vielleicht auch eine junge Frau, das konnte ich nicht so genau ausmachen.
„Ich grüße dich“, sprach sie mich an und reichte mir eine Schale mit einer Flüssigkeit. Ich griff dankbar danach. Atmete den Kräuterduft der lauwarmen Flüssigkeit ein und trank die Schale leer.
„Danke schön“, sagte ich. „Wer bist du und wo bin ich hier?
„Ich bin Aset“, antwortete sie, „und du bist im alten Ägypten gelandet. Komm mit mir, du brauchst Schatten!“ Sie führte mich zu einer größeren Hütte. Auf dem Vorplatz saßen ca. zehn nackte Knaben und ein Mädchen. Sie alle schrieben Hieroglyphen auf ihre Tafeln. Es war ganz still.

Aset wies mit dem Kinn auf ein dickes Polster unter dem Hüttendach und sagte: „Setzt dich, ich bin bald mit dem Unterricht fertig“.
Ich tat, wie mir geheißen und sah ihr zu. Sie ging von Kind zu Kind. Redete mit jedem Einzelnen. Verbessert hier etwas und zeigte dort noch einmal einen Schwung. Bald legten die Kinder ihre Tafeln weg. Aset fing an zu erzählen. Die Kinder hingen an ihren Lippen. Ich auch – obwohl ich nichts verstand. Es war wundervoll, dem Singsang ihrer Sprache zuzuhören.
Ich schloss die Augen. Bilder von riesigen Blüten in unterschiedlichsten Farben, prachtvollen Vögeln, deren Federn in der Sonne glänzten und Sternübersäten Abendhimmeln erschienen vor meinem inneren Auge. Ich lauschte. Warmer Wind wogte über mich hinweg und der Gesang war wie ein Streicheln.
Irgendwann sprangen die Kinder auf und liefen fort. Aset kam zu mir. Sie ließ sich neben mir nieder.

„Sag mal“, fing ich an. „Gab es im alten Ägypten wirklich Lehrerinnen? Ich dachte, es hätte Schulbildung nur für Knaben gegeben?“
Sie nickte. „Meistens schon, da hast du Recht. Aber es gab auch immer Frauen mit Schulbildung und hier – in unserer Gemeinschaft – ist meine Mutter eine der gebildetsten Menschen überhaupt.“
Ich sah sie an.
„Ja“, sprach sie weiter, „und deshalb hatte ich das Glück, lernen zu dürfen. Und niemand – so sagen die weisen Männer hier – versteht so viel von Traumdeutung und Astronomie wie ich. Von daher darf ich meiner Mutter beim Unterricht helfen. Aber bald soll damit Schluss sein, ich werde verheiratet.“

Ihr Blick irrte hin und her.
„Sag“, flüsterte sie, „kannst du mich nicht mit zurücknehmen in deine Welt?“ Sie sah sich um.
„Würde ich schon“, antwortete ich, „aber ich habe leider keine Ahnung, wie ich zurückkommen kann“. Ich seufzte.
Da lächelte sie. „Ich schon. Ich habe dich in meinem Traum gesehen und eine Stimme sagte mir, du wärest meine Rettung. Heute Abend, wenn die Sterne am Himmel aufleuchten, kommst du hierher – dann gehen wir zurück!“

Und ich wartete auf den Abend …

 

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Wie würde Deine Zeitreise aussehen?

Foto: © Erwin Grundler, Überlingen

 

Hier kommt ein Beitrag zum #WRITING FRIDAY von https://readbooksandfallinlove.com/2020/06/23/writingfriday-juli-2020-die-schreibaufgaben/ den ich bei  https://kathakritzelt.com/ entdeckt habe. Heute habe ich mich dafür entschieden: Du gerätst über eine Zeitmaschine ins alte Ägypten, erzähle von diesem Abenteuer.

8 Kommentare
  1. Nachtwandlerin
    Nachtwandlerin sagte:

    Liebe Judith,
    so schön und magisch! Ich mag außerdem die feministischen Untertöne deiner Umsetzung der Schreibaufgabe. Vielleicht hatte Aset die Möglichkeit, mit zurückzureisen.

    Liebe Grüße
    Alina

    Antworten
    • mutigerleben
      mutigerleben sagte:

      Liebe Alina,
      ich danke dir. Wie schön, dass dir der Beitrag gefällt – und die feministischen Untertöne gehören zu mir … Gut, dass du sie magst, das ist nicht immer so.
      Liebe Grüße und einen guten Wochenstart
      Judith

      Antworten

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